Wer sich heutzutage mit Melodic Rock bzw. AOR beschäftigt, kommt an Kent Hilli nicht vorbei! Der schwedische Sänger setzt sich mit seinem 2. Solo-Album „Nothing Left To Lose“ selbst ein Denkmal und wird damit Genre Fans jeden Alters restlos begeistern. 9/10

Ob Kent Hilli wohl erwartet hätte, dass er mit seiner Musikkarriere so dermaßen durchstarten würde, als er vor einigen Jahren seine Band Perfect Plan gegründet hat? Ich kann es mir kaum vorstellen. Nachdem der ehemalige Fußballer seine Schuhe an den Nagel gehängt hat, begann er sich Anfang der 2000er mehr und mehr als Sänger auszuprobieren. Kent Hilli startete einen ersten, ernsthaften Anlauf im Musikgeschäft, als Frontmann einer Coverband. Das war dem kreativen Sänger und Songwriter aber irgendwann zu wenig. Er wollte eigene Songs schreiben und so hob er dann vor einigen Jahren Perfect Plan aus der Taufe. Bereits mit dem 2017er Debüt „All Rise“, kamen er und seine Band zu Ruhm und Ehre. Zwei weitere überragende Alben folgten. Um sich noch etwas persönlicher und individueller verwirklichen zu können, hat der Schwede mit der grandiosen Stimme, vor 2 Jahren dann sein erstes Solo-Album („The Rumble“) veröffentlicht, in enger Zusammenarbeit mit Michael Palace. Es folgte kurz darauf noch eine Cover-EP und ebenfalls 2021, wurde Kent Hilli als neuer Sänger bei den US amerikanischen AOR Legenden Giant vorgestellt. Das fantastische Comeback-Album („Shifting Time“) der US Rocker gab es dann Anfang letzten Jahres zu bestaunen. Zusätzlich war er auch wieder auf Toni Hernando’s aktuellem Restless Spirits Album („Second To None“) zu hören, mit zwei überragenden Songs. Direkt nach den Arbeiten am jüngsten Perfect Plan Output („Brace For Impact“), das im Herbst 2022 von Fans und Presse gleichermaßen gefeiert wurde, hat Kent Hilli auch schon intensiv an den neuen Stücken für sein 2. Solo-Album geschraubt. Für „Nothing Left To Lose“ hat der Schwede sehr eng mit Jimmy Westerlund zusammen gearbeitet. Genre Fans ist er als Produzent aber auch als Gitarrist und Songwriter bei der finnischen Melodic Rock Truppe One Desire, sicher bestens bekannt. Er hat für „Nothing Left To Lose“ all seine Fähigkeiten und Talente mit eingebracht und hatte neben etlichen Gitarrenspuren, auch einen wesentlichen Anteil an der Produktion. Daran waren aber auch Kent Hilli selbst und Bassist Ulrick Lönnqvist beteiligt. Zur Stammformation gehören desweiteren auch noch Felix Borg (u.a. Rob Moratti) (Schlagzeug) und Pete Alpenborg (u.a. Rob Moratti, ex-Arctic Rain) (Gitarre, Keyboard). Wenn man sich das gesamte Line-Up des Albums betrachtet, kommt man aus dem Lesen und Staunen kaum mehr raus. Gefühlt, war an „Nothing Left To Lose“ die halbe Melodic Rock und Metal Szene beteiligt. Es tauchen noch etliche weitere große Namen auf, die ihre Fähigkeiten als Musiker und teils auch als Songwriter, bei dem einen oder anderen Stück mit eingebracht haben. Unter anderem stehen dort so illustre Namen wie Jimmy Hedlund (Falconer), Kai Hahto (Nightwish), Rick Altzi (u.a. Masterplan, At Vance), Kristian Fyhr (Seventh Crystal, Ginevra) und natürlich auch wieder Michael Palace (Palace). Die Liste geht aber durchaus noch ein ganzes Stück weiter. Sowohl qualitativ, als auch musikalisch, knüpft „Nothing Left To Lose“ an den grandiosen Vorgänger nahtlos an. Dennoch habe ich den Eindruck, dass sich durch die Zusammenarbeit mit Jimmy Westerlund, ein kleines bisschen was an der Stilistik verändert hat. Die Songs wirken ein bisschen hymnischer, haben oftmals ein opulenteres Klangbild und auch die Keys sind für mein Empfinden, ein kleines bisschen mehr und dominanter geworden. Der Gitarren-Sound kommt etwas rifflastiger rüber. Der Stücke wirken sehr kompakt, meist recht gradlinig, mit klarer Ausrichtung auf große, eingängige Melodien, sowohl instrumental, als auch bei den Vocallines. Natürlich steht ganz zentral, der unglaublich starke und noch facettenreichere Gesang von Frontmann Kent Hilli, der den Songs ein ums andere Mal, die Krone aufsetzt. Die Veröffentlichung dieser fantastischen Lieder-Sammlung erfolgte, wie gewohnt, über das italienische Label Frontiers Records. Auch über die Spielzeit muss sich keiner beklagen. Es gibt 11 Stücke verteilt auf 50 Minuten und das bei durchweg höchster Qualität.

Los geht‘s mit der aktuellen Single „Too Young“. Ein recht kraftvoller Opener, dominiert von einer stark gespielten Lead-Gitarre und den sehr ausdrucksstarken Vocals von Kent Hilli. Der Vers-Teil ist zunächst etwas zurückhaltender, steigert sich dann aber großartig zum Chorus, der erhaben aber auch gleichzeitig eindringlich, emotional und sehr mitreißend ist. Ein Melodic-Rock Hit der Extraklasse! Das Titel-Stück „Nothing Left To Lose“ ist stark Riff geprägt, durch die großartige Arbeit von Jimmy Westerlund an der Gitarre. Das Klangbild ist mittels satter Keys auch durchaus opulent. Da steckt schon auch eine gute Portion One Desire mit drinnen. Die Einflüsse des finnischen Gitarristen und Produzenten sind nicht weg zu leugnen. Das Lied ist insgesamt recht intensiv, mit eindringlicher Ausstrahlung. Für einen kraftvollen Rhythmus sorgt hier Nightwish Drummer Kai Hahto. „Could This Be Love“ ist ein wunderbarer Melodic Rocker mit typisch schwedischer Färbung. Die Instrumentierung ist abwechslungsreich und auch der Songaufbau ist gut gelungen, was stets für Spannung und einen durchweg hohen Unterhaltungswert sorgt. Keys und Gitarren harmonieren prächtig und stehen oft im Fokus. Noch ein bisschen mehr Power und Klangvolumen gibt es bei „A Fool To Believe“. Geprägt wird das Stück einmal mehr, von einer wunderbar gespielten Lead-Gitarre. Im Zentrum steht ein grandioser Refrain, der mehrstimmig rüber kommt und durchaus erhaben wirkt. Die Melodieführung ist ganz brillant und Kent Hilli beweist eindrucksvoll, dass er zu den stärksten und vielseitigsten Sängern des Genres gehört. „Everytime We Say Goodbye“ bewegt sich im Verlauf des Songs immer wieder zwischen Power-Ballade und Midtempo-Hymne. Stilistisch bin ich hier ein kleines bisschen in der Foreigner Ecke, eine Band von der Kent Hilli stark beeinflusst ist. Der Schwede agiert mal kraftvoll und sehr charismatisch, mal sanft und gefühlvoll. Die Nummer wirkt etwas schwerer, kommt auch mit ein bisschen Melancholie ums Eck. Basser Ulrick Lönnqvist hat hier auch zusätzlich noch die Akustik-Gitarre mit eingespielt. „Stronger“ gehört sicher zu den Stücken mit dem größten Klangvolumen. Dafür sind auch die brillant gespielten Keys von Gastmusiker Alexander Jonsson mit verantwortlich. Das Lied ist etwas rhythmischer angelegt. Die Gitarren bewegen sich auch immer mal wieder eher im Hintergrund. Dennoch hat der Song einen tollen Groove und Kent Hilli versteht es blendend, die einzelnen Passagen zu individuellen Kunstwerken zu formen. Bestes Beispiel sind der Chorus und die überragende Vocal-Bridge nach dem 2. Refrain, vor dem wunderbaren Gitarren-Solo. Stilistisch ist das Stück in einer Schnittmenge aus Boston, Toto und Survivor zu Hause. „Does He Love Like Me“ begeistert wieder mal mit filigraner Lead-Gitarre aber auch ein paar feine Saxophone-Klänge gibt es hier zu hören. Diese stammen von Oleg Lavrentev, der dem Stück damit eine sehr individuelle Note gibt und manchen Highlight-Moment liefert. Das Lied verfügt über einen tollen Spannungsaufbau, der sich nach einem etwas verhaltenerem Vers-Teil, im kraftvollen Refrain entlädt. Kent Hilli zeigt sich emotional aber auch sehr vielseitig und gibt dem Stück hier und da, sogar einen leicht  bluesig/souligen Akzent. „Start It All Over“ wird von feinen Piano/Keyboard Klängen eröffnet und einer wundervollen Lead-Gitarre. Die Vocalline wirkt getragen, öffnet sich dann sehr gut zum Chorus, der sich richtig gut im Ohr festsetzt. Die Grundstimmung ist sehr schön und liefert viele positive Vibes. Die Nummer hat ordentlich Energie im Gepäck und reißt super mit. Absolut prädestiniert für die Bühne! Neben ein paar tollen Riffs gibt es auch ein schönes Solo oben drauf, welches hier von Jimmy Hedlund gespielt wird. „Heard It All Before“ kommt mit einem feinen Groove daher, hier und da, auch mit ein paar bluesigen Nuancen. Insgesamt ein etwas wuchtigeres Stück, bei dem die Rhythm-Section alle Hände voll zu tun hat. Der Refrain ist schwungvoll und eingängig. Ganz stark ist die Gitarren-Arbeit, für die hier Michael Palace verantwortlich zeichnet. Kommen wir nun hintereinander zu meinen beiden Top-Favoriten des Albums. Zunächst hören wir „Saving Us“, ein sehr flotter und energetischer Melodic-Rock Super-Hit, mit einer fantastischen Kombination aus Keyboard und der Gitarre von Michael Palace, der auch hier wieder glänzen darf, mit Riffs und super Solo. Das Stück treibt auf sehr hohem Level voran, mit einer unglaublichen Intensität, die bis in die Zehenspitzen zu spüren ist. Der Refrain ist ein wahres Monster und hat zudem, extreme Ohrwurm-Eigenschaften. Kent Hilli mit herausragender Leistung. Der Song ist ein echtes Kraftpaket, mit sehr druckvoller, rhythmischer Basis. Den sensationellen Album-Ausklang bildet dann die epische Power-Ballade „Only Dreaming“, ein unglaublich vielseitiges und beeindruckendes Lied, das natürlich auch mit großer, emotionaler Tiefe erschaffen wurde. Die Stimmung ist eher etwas düster und schwer, durchaus melancholisch. Kent Hilli agiert zunächst mit dunkler, sanfter Stimme. Das hat viel Ausstrahlung. Der Übergang zum Chorus hin, wird dann schon deutlich kraftvoller und der Refrain selber, könnte kaum eingängiger und intensiver sein. Die Melodie-Führung weist dabei deutliche Spuren alter Desmond Child Kompositionen aus den 80ern auf. Tatsächlich erinnert der Refrain auch ein gutes Stück weit, an den Chorus von „I Just Want You“, vom aktuellen Chez Kane mega Album „Powerzone“. Dieses wurde ja bekanntlich von Crazy Lixx Frontmann Danny Rexon geschrieben, der ebenfalls eine Vorliebe für das Songwriting von Desmond Child hat. Ihr seht, es gibt auch heute noch viele Musiker und Komponisten, die den damaligen Stil des großen US Songwriters und Produzenten verehren und in ihre eigenen Stücke mit einfließen lassen. Auf jeden Fall beschert uns somit auch Kent Hilli einen schönen Ausflug in die späten 80er und lässt sein 2. Solo-Werk, mit einem fantastischen Hit zu Ende gehen. Die Keys stammen bei diesem Song übrigens von Alexander Jonsson und das wundervolle Gitarren-Solo hat Jimmy Hedlund beigesteuert.

Kent Hilli hat seiner Vita, mit „Nothing Left To Lose“, ein weiteres Meisterstück hinzugefügt. Auch wenn der Schwede freilich kein junger Nachwuchskünstler mehr ist, so sehe ich dennoch großes Potenzial, dass er mit seiner Musik und seiner außergewöhnlichen Stimme, eine ganze Ära prägen könnte! Auf jeden Fall gehört Kent Hilli zu den facettenreichsten und ausdrucksstärksten Sängern der aktuellen Melodic Rock Szene. Die vielen hochklassigen Veröffentlichungen seit dem Perfect Plan Debüt in 2017, untermauern diese These sehr deutlich. Herzlichen Glückwunsch an Kent Hilli und das gesamte Ensemble an tollen Musikern, die an „Nothing Left To Lose“ beteiligt waren und gemeinsam, ein echtes Genre Highlight kreiert haben!

Band

Kent Hilli (Gesang)
Jimmy Westerlund (Gitarre, Additional Keyboards und Percussions)
Pete Alpenborg (Gitarre, Keyboard)
Ulrick Lönnqvist (Bass, Akustik Gitarre)
Felix Borg (Schlagzeug)

Gäste

Kai Hahto (Schlagzeug Track 2)
Jimmy Hedlund (Gitarren-Solo Track 8, 11)
Michael Palace (Gitarre, Backing-Vocals Track 9, 10)
Alexander Jonsson (Keyboard Track 6, 11)
Jussi Vuorijää (Keyboard Track 2)
Oleg Lavrentev (Saxophone Track 7)
Kristian Fyhr (Backing-Vocals)
Rick Altzi (Additional Backing-Vocals Track 2)

Titel

  1. Too Young
  2. Nothing Left To Lose
  3. Could This Be Love
  4. A Fool To Believe
  5. Everytime We Say Goodbye
  6. Stronger
  7. Does He Love Like Me
  8. Start It All Over
  9. Heard It All Before
  10. Saving Us
  11. Only Dreaming
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