Es gibt sicher nicht viele Gruppen, die in über 20 Jahren Bandgeschichte, in so großer Regelmäßigkeit, derart hohe Qualität abliefern, wie Sirenia. Was uns die in Norwegen basierte Symphonic Metal Truppe aber nun auf ihrem 11. Studio-Album „1977“ serviert, ist an Perfektion und Genialität kaum zu überbieten! Ein Gala-Menü aus der musikalischen 5-Sterne-Küche! 10/10

Sirenia wurden 2001 von Morten Veland, dem Mastermind und kreativen Vater des Erfolges, gegründet, nicht lange, nachdem er seine vorherige Band Tristania verlassen hatte. Bereits 2002 folgte der Release des Jahrhundertwerkes „At Sixes And Sevens“, mit mega Hits wie beispielsweise „Meridian“, „Sister Nightfall“ oder „A Shadow Of Your Own Self“. Musikalisch noch deutlich in der Gothic oder gar Melodic Death Ecke zu Hause und auch heute noch, von vielen Fans, als „das“ Sirenia Album schlecht hin vergöttert. Nun, die Musik der in Norwegen basierten Band, hat sich über all die Jahre hinweg und mit der Veröffentlichung der verschiedenen Alben, ein gutes Stück verändert und ist natürlich auch reifer geworden. Sicher ist daran auch die persönliche Weiterentwicklung von Gitarrist, Bassist, Keyboarder und Sänger Morten Veland mit entscheidend, die man auch gut, an den Stücken die er mit seinem Projekt Mortemia veröffentlicht, erkennen kann. Es gab über die Jahre aber auch verschiedene Besetzungswechsel bei Sirenia, die das musikalische Erscheinungsbild verändert und geprägt haben. Nicht zuletzt, natürlich auch ein paar unterschiedliche Sängerinnen, die auf den Alben zu hören waren. Ein großer Teil des Wandels wurde in den Jahren vollzogen, als die wunderbare, fast schon legendäre spanische Sängerin Ailyn (Lunarian), für 4 Alben die Stimme von Sirenia war. Unter anderem auf dem 2011er Meisterwerk „The Enigma Of Life“, meinem bisherigen Lieblingsalbum der Band. Wenig überraschend daher, dass es auf dem aktuellen Werk „1977“, meinem neuen Top-Favoriten, durchaus ein paar musikalische Parallelen zu entdecken gibt. Seit 2016 ist nun die Mezzosopranistin Emmanuelle Zoldan Frontlady bei Sirenia und hat die letzten 4 Alben maßgeblich mitgeprägt, durch ihre wundervolle, so unglaublich vielseitige Stimme. Die Französin hat eine hervorragende und sehr umfangreiche Ausbildung genossen, die ihr erlaubt, spielerisch mit ihrem „Instrument“ umzugehen und eben auch in der klassischen Stimmlage zu glänzen. Dies hat sie auch an verschiedenen Opernhäusern bereits unter Beweis gestellt. Songwriter schneiden ihre Musik, im Besonderen natürlich die Vocallines, speziell auf die jeweilige Stimme zu. Im Besonderen durch die wundervollen Alben mit Ailyn bzw. Emma Zoldan, hat die Musik von Sirenia eben jene, bereits angedeutete Entwicklung genommen, hin zu einer Stilrichtung, die deutlich mehr im Symphonic Metal, als im Gothic einzuordnen ist. Aber, und das möchte ich deutlich betonen, es gibt sicher kein einziges Sirenia Album, in dem die musikalischen Wurzeln von Komponist Morten Veland, nicht dennoch zu finden sind. „1977“ offenbart nun aber nochmal eine sehr deutliche, stilistische Veränderung. Zu den üblichen Einflüssen und dem gewohnten Klangbild der letzten Scheiben, gesellen sich auf dem neuen Album, nun noch einige 80er-typische Synthie-Pop und Wave Elemente dazu, mit denen der norwegische Komponist viele Akzente und Highlights setzt. Zusätzlich wird der gesamte Höreindruck um einige Facetten reicher und verändert das Erscheinungsbild deutlich. Ganz speziell, wird so auch die Wirkung und die Eingängigkeit der einzelnen Songs gefördert. Auch die Gesangsmelodien und hier speziell die Refrains, könnten sich kaum besser in den Gehörgängen festsetzen. Das war eine Vielzahl genialer Ideen, die der versierte Musiker hier zusammen getragen und in absoluter Perfektion umgesetzt hat. Für mich, als langjährigem, begeisterten Symphonic Metal Fan und gleichzeitig, großem Bewunderer von Bands wie Metalite und Rexoria, ist „1977“ somit, ein Leckerbissen der ganz besonderen Art geworden. Natürlich haben Emmanuelle Zoldan und Morten Veland dieses grandiose Meisterwerk nicht alleine in die Tat umgesetzt. An der zweiten Gitarre ist, wie gewohnt, der französische Saitenhexer Nils Courbaron zu hören, der sich auch bei der Entstehung von so manchem Solo verwirklichen konnte. Hinter der Schießbude sitzt, wie  schon auf dem letzten Album „Riddles, Ruins And Revelations“, der britische Schlagzeuger Michael Brush. Die Produktion von „1977“ hat Morten Veland, wie üblich, selbst durchgeführt. Mix und Master haben Sirenia nach Frankreich ausgelagert, wo der versierte Musiker und Toningenieur HK in seinem Vamacara Studio für einen sehr dynamischen, kraftvollen und extrem klaren Sound gesorgt hat. Veröffentlicht wurde „1977“ wieder über Napalm Records und ist somit bereits das 5. Album, das über das österreichische Label auf den Markt gekommen ist. Kommen wir nun zu den 11 Songs, die auf der vollen Länge von ca. 50 Minuten, ausnahmslos zu überzeugen und zu begeistern wissen!

Der Spaß wird mit schöner Piano/Keyboard Einleitung eröffnet, dazu kommen ein paar wunderbare Streichinstrumente, was in der Kombination, gleich von Beginn an, für einen opulenten Klang sorgt. „Deadlight“ ist ein genialer Opener und auch gleichzeitig ein gutes Beispiel, für die musikalische Entwicklung, die „1977“ offenbart, wenngleich das Stück dennoch, irgendwie ein typischer Sirenia Song ist. Die Melodieführung ist brillant, auch die sukzessive Steigerung ist stark inszeniert. Zum Vers-Teil ist das Stück noch etwas zurückhaltender, erhebt sich dann mit dem Chorus, zu voller Größe. Emmanuelle Zoldan mit einer ersten Glanzleistung, die auch mit ein paar kurzen Ausflügen in die klassische Stimmlage begeistert und einen sensationellen Refrain oben drauf packt. Ein mega Einstieg, für ein mega Album! „Wintry Heart“ ist die jüngste Single/Video Veröffentlichung gewesen. Nach kurzem Keyboard-Intro, sind es vor allem die kraftvollen Gitarren von Morten Veland und Nils Courbaron die das Stück in Fahrt bringen. Die druckvolle Basis dafür legt Drummer Michael Brush, der mit seinem versierten Schlagzeug-Spiel den Song gut vorantreibt. Stilistisch hätte das Lied auch auf dem 2011er „The Enigma Of Life“ Album eine zentrale Rolle einnehmen können. Für mich persönlich, ist „Wintry Heart“ einer der ganz großen Hits auf „1977“. Die Synths sind ganz hervorragend eingesetzt und sorgen für viele Akzente. Ein weiteres Mal ist es die Performance von Emma Zoldan, die ihrer Stimme einen melancholischen, fast schon verträumten Ausdruck verleiht und beim Chorus alle Ketten der Brillanz sprengt. Dazu kommt noch eine wundervolle Vocal-Bridge mit Piano Begleitung und ein geniales Solo von Nils Courbaron. „Nomadic“ startet sehr energiegeladen, mit viel Klangvolumen, verfeinert mit ein paar Geigen und satten Backing-Chören. Insgesamt eine recht gradlinige Nummer, mit Fokus auf einen fetten Gitarren-Sound und die Power-Drums vom Michael Brush. Durch die ausdrucksstark eingesetzten Keys und Synths von Morten Veland, kommt eine bisschen Metalite / Rexoria Flair auf, was stimmungsfördernd wirkt und aus der Nummer ein Paradestück für die Bühne macht. Erneut gibt es zusätzlich zu einem großartigen, hymnischen Refrain, auch eine wunderbare Vocal-Bridge, die hier getragen rüberkommt und in ein sehr schönes und verspieltes Power-Solo an der Gitarre mündet. „The Setting Darkness“ zeigt Morten Veland, zusätzlich zu seinem Können an den Saiteninstrumenten, auch wieder als ganz starken Keyboarder, im Besonderen bei der wundervollen Einleitung. Das Stück ist auch mit super Arrangements versehen worden, liefert so, ziemlich viel Bombast und Volumen aber auch ein paar poppige Nuancen. Emmanuelle Zoldan agiert teils sehr sanft und gefühlvoll, geht dann beim recht erhaben wirkenden Refrain voll aus sich heraus und sorgt für das epische Klangerlebnis, eines monumentalen Symphonic Metal Hits. Vor dem grandios gespielten Gitarren-Solo gibt es noch eine wunderbare Gesangspassage, bei der Emma ganz besonders zu glänzen weiß und dabei weht sogar ein kleiner Hauch von ABBA durch die Luft. Unter all den ganzen Monster-Hits, die es auf „1977“ zu erleben und zu bewundern gibt, gibt es einen Song, der für mich einen ganz speziellen Stellenwert hat und den ich auch nach x-maligem Genuss des Albums, immer noch, als meinen persönlichen, uneingeschränkten Top-Favoriten bezeichnen würde. Das Lied trägt den vielsagenden Titel „A Thousand Scars“ und ist entgegen der möglichen Vermutung, keine Ballade, dennoch aber sehr intensiv und auch emotional geprägt. Der Start stellt dabei ganz klar die Gitarren von Morten Veland und Nils Courbaron in den Mittelpunkt. Im Zusammenspiel mit Drummer Michael Brush kommt sogar ein leicht progressives Klangbild zum Vorschein. Die Backing-Chöre geben Volumen und Tiefe. Der Vers-Teil ist etwas ruhiger gehalten, mit schöner Synthie-Begleitung, Emma Zoldan mit brillanter Performance. Der Spannungsaufbau ist perfekt auf den Refrain ausgerichtet, der dann in kraftvoller, opulenter und hymnischer Sabaton-Manier daher kommt und großartig mitzureißen versteht. Absolut genial, genauso wie die fantastische Synthie-Bridge, die Emma mit klassischem Gesang begleitet und zu einem echten Höhepunkt macht. Das hat schon fast ein bisschen was Sakrales an sich. Ein überragendes Solo mit satter Riff-Begleitung gibt es dann noch on top. Dem Song-Titel entsprechend hat „Fading To The Deepest Black“ eine recht schwere und düstere Ausstrahlung, mit einem ziemlich rasanten Beginn, der durchaus ein paar Melodic Death Nuancen zeigt. Insgesamt darf man das Stück als getragene Hymne bezeichnen, mit hohem Energielevel, sehr facettenreicher Instrumentierung und vielen Tempowechseln. Morten Veland steuert hier ein paar Vocals bei, mit Klargesang Stilistik. Ein sehr starker Moment. „Oceans Away“ wandelt zwischen epischer Opulenz und balladesker Tiefe und Emotionalität. Emmanuelle Zoldan spielt einmal mehr, wunderbar mit ihrer Stimme und wechselt zwischen normaler Stimmlage und klassischem Mezzosopran. Sie legt viel Gefühl in die Vocals und sorgt immer wieder für Gänsehaut-Momente. Ein sehr intensives Stück mit gewaltigem Chorus. Auch instrumental steckt viel Volumen dahinter, das wirkt manchmal, als könnte man mit dem Klangteppich die ganze Welt tragen. Und dabei ist dies ja eigentlich „nur“ eine Halbballade/Powerballade oder wie immer man es nennen will. „Dopamine“ liefert viele Einflüsse aus den 80er Jahren. Sowohl das coole Riffing von Morten Veland, als auch diese sehr typische Pop-Attitüde, stärken den Eindruck. Der Sound ist sehr druckvoll, was man ganz eindeutig, dem Mix und Mastering von HK zu schreiben darf. Der Klang kommt unglaublich detailliert aus den Kopfhörern, das ist schon großes Kino und zweifelsfrei, oberstes Niveau. Neben ruhigeren Sequenzen, gibt es aber auch einige sehr energetische Temposteigerungen, Drummer Michael Brush ist da die federführende Kraft. Der opulente Chorus gehört hier wieder einmal zu den besonderen Augenblicken. Symphonic Metal at its best, erinnert beim Refrain, fast ein wenig an die Label Kollegen Xandria. Zur Auflockerung gibt es zwischendurch noch ein paar spoken words, die Emma Zoldan auf Französisch darbietet. Ein sehr facettenreiches Stück, das alles vereint, was Sirenia 2023 ausmacht. „Delirium“ liefert dagegen deutlich traditionellere Klänge. Wuchtig, rasant, gitarrendominiert und Morten Veland glänzt dabei auch mit ein paar Growls, wie sie von ihm, vor allem auf den früheren Alben, deutlich häufiger zu hören waren. Im Kontrast dazu, singt Emma Zoldan große Teile ihres Gesangsparts im klassischen Stil. Alles in allem, eine recht opulente, fast schon majestätische Nummer, mit vielen Symphonic-Momenten aber auch ein bisschen Gothic und ziemlich coolen, sphärischen Synthie-Klängen zum Ende. „Timeless Desolation“ reiht sich ein in die lange Liste der Über-Hits auf dem  Albums. Schön austariert zwischen schwermetallischer Power, fetten Arrangements und der Sanftheit, mit der Emma teilweise agiert. Auch hier bin ich stilistisch und stimmungsmäßig, wieder ein bisschen beim „…Enigma…“-Album von 2011. Die Dramaturgie des Songs ist wieder einmal herausragend gelungen. Die Intensivierung im Verlauf des Stückes ist mit jeder Faser des Körpers zu spüren. Die Instrumentierung ist erneut ganz famos umgesetzt und hat mit Michael Brush, einen rhythmischen Leiter, der viele Akzente zu setzen weiß. Ein wirklich genialer Abschluss, des regulären Teils von „1977“. Wenn ich hier aber schon das Wort „genial“ verwende, dann darf ich euch im gleichen Atemzug, noch den sensationellen Bonus-Track vorstellen, „Twist In My Sobriety“! Den jüngeren unter euch, wird dieses Lied im Original, vermutlich nicht viel sagen. 1988 machte sich die im westfälischen Münster geborene Tochter eines dort stationierten, britischen Soldaten auf, der Welt einen unglaublichen Hit zu liefern. Der Name dieser wunderbaren Sängerin lautet Tanita Tikaram. Für mich persönlich, ist „Twist In My Sobriety“ einer der aller größten Pop-Hits, der in den 80er Jahren veröffentlicht wurde. Ich habe schon immer diese Schwere, die Dunkelheit, die Melancholie aber auch die zarte Hoffnung in diesem Song geliebt und bin über die Maßen begeistert, was Morten Veland und seine Band daraus gemacht haben. Die Grundstimmung ist erhalten geblieben und mit Emmanuelle Zoldan, haben Sirenia auch die perfekte Sängerin, um diesen mega Hit zu ihrem eigenen zu machen. Sie hat eine sehr ähnliche Wärme und Dunkelheit in der Stimme, wie sie auch Tanita Tikaram hat. Die kraftvollen Gitarren von Morten Veland und Nils Courbaron geben dieser Version natürlich mehr Power und eine andere Grundhärte. Die Instrumente sind im perfekten Einklang und mittels grandiosem Mix und Master, wurde ein einmaliges Klangerlebnis für diesen Monster-Hit erschaffen. Interessanterweise haben Sirenia ausgerechnet dieses Lied, als erste Single Auskoppelung gewählt, mit wirklich wunderbarem, bewegtem Bildmaterial, von der diesjährigen 70000 Tons Of Metal Cruise. 80er Hits zu covern, wird bei der Band von Morten Veland aber langsam zur Tradition, siehe dazu auch „Voyage, Voyage“ vom Vorgänger-Album.

1977 ist das Geburtsjahr von Emmanuelle Zoldan und Morten Veland und gleichzeitig auch der Titel dieses brillanten Meisterwerkes. Ein Zufall? „1977“ ist das 11. Album von Sirenia, mit 11 Top-Hits, die zu 100% überzeugen und begeistern. Ein paar kleine Zahlenspiele zu einer Scheibe, die an Genialität, kompositorischer Brillanz und musikalischer Kreativität, nur schwer zu überbieten ist. Für meinen Geschmack, ist „1977“ der bisherige Höhepunkt in der Vita von Sirenia. Meinen herzlichsten Glückwunsch zu diesem Epos eines Metal Albums! All das wird im September dieses Jahres noch gekrönt, mit der fast vierwöchigen Symphonic Metal Nights Tour, bei der Sirenia als Headliner auftreten, begleitet von den skandinavischen Top-Acts Amberian Dawn, Dark Sarah und Rexoria! Für Symphonic und Melodic Metal Fans, vielleicht das Tour-Ereignis des Jahres. Alle Bands mit tollen, neuen Alben im Gepäck und vielen Hits aus früheren Werken!

Band

Emmanuelle Zoldan (Gesang)
Morten Veland (Gitarre, Bass, Gesang, Keyboard, Synths)
Nils Courbaron (Gitarre)
Michael Brush (Schlagzeug)

Titel

  1. Deadlight
  2. Wintry Heart
  3. Nomadic
  4. The Setting Darkness
  5. A Thousand Scars
  6. Fading To The Deepest Black
  7. Oceans Away
  8. Dopamine
  9. Delirium
  10. Timeless Desolation
  11. Twist In My Sobriety (Bonus) (Tanita Takaram Cover)
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