Die Hamburger Dark Metal Band Lord Of The Lost, hat ihre Fans kurz vorm Jahreswechsel mit einer neuen Scheibe überrascht. „Blood & Glitter“ ist ein Album voller Gegensätze, musikalischer Vielseitigkeit und Extravaganz. Vieles ist neu und manches anders aber dennoch, ist es auch ganz typisch Lord Of The Lost. 8,5/10

Die Veröffentlichung des 8. Studio-Albums von Lord Of The Lost, kam schon ziemlich unerwartet und ohne jede Vorwarnung, wenn man so sagen mag. Die Vorlaufzeit zwischen Ankündigung und Release, war gerade mal eine Woche. Dies entspricht natürlich so gar nicht, den aktuell marktüblichen Vertriebsstrategien und Verkaufsmechanismen. Aber, wie das bei Mastermind Chris Harms und seiner Band Lord Of The Lost so üblich ist, nichts ist „normal“, denn „normal“ kann schließlich jeder. Wer ein derart polarisierendes und auch durchaus extravagantes Album veröffentlicht, der kann damit auch schon mal unkonventionelle Wege gehen. Und so haben Chris Harms und seine Kollegen bis kurz vor der Veröffentlichung gewartet, ehe sie die Bombe haben platzen lassen. Dies hatte zur Folge, dass die Vorfreude kurz aber heftig war und sich nicht über Monate, wie ein Kaugummi hin gezogen hat. Der Erfolg gibt Lord Of The Lost damit eindeutig Recht. Auch ohne monatelange Promotion im Vorlauf, ist das Album eine Woche nach dem Release, auf Platz #1 in den offiziellen deutschen Album-Charts eingestiegen! Glückwunsch dazu! Die Vorgehensweise die Lord Of The Lost hier eisern durchgezogen haben, kennt man ja durchaus von früher, als es die ganzen medialen Mittel und Wege, so noch nicht gegeben hat. Da gab es vielleicht kurz vorher mal eine Notiz in einschlägigen Magazinen aber ansonsten, war das Album dann einfach irgendwann da. Dies führt mich auch direkt zum Charisma und der Stilistik von „Blood & Glitter“. Nach dem recht düsteren, mit religiösen/theologischen Themen gefüllten Vorgänger „Judas“, gibt es beim neuen Werk, sowohl musikalisch, als auch von der Gesamterwirkung her, einen deutlichen Richtungswechsel. Die Musik beinhaltet sehr viele Elemente der 80er Pop und Wave Musik, natürlich angereichert durch die LOTL typischen, harten und schweren Gitarren-Riffs. Die optische Erscheinung und Ausstrahlung, orientiert sich ganz klar an der Glamour-Zeit der 70er Jahre, vielleicht irgendwo im Stile von Mark Bolan (T-Rex) und vor allem auch David Bowie. Ergänzt durch die seinerzeit prägende Foto-Kunst von Mick Rock, als großem stilistischem Vorbild und Ideengeber. Trotz der farbenfrohen und schillernden Aufmachung, liegt dem Album inhaltlich, die übliche Dunkelheit und Schwere zugrunde, wie man sie schon von je her, von LOTL kennt. Die Texte sind politisch, sozialkritisch, gerade raus, offen und stets sehr emotional vorgetragen. Ihr sehr also, es ist vieles sehr gegensätzlich auf „Blood & Glitter“, dennoch irgendwie auch typisch für Lord Of The Lost, die ja bekanntermaßen, noch nie wirklich in eine Schublade gepasst haben, wie man so schön sagt. Man kann vielleicht auch sagen, die Hamburger Dark Metal Band, vereint scheinbare, stilistische und musikalische Widersprüche, zu einer hervorragend funktionierenden Einheit. Genau diese Einheit spiegelt sich auch bei den wirklich stark und ganz brillant agierenden Musikern wider. Für so ein durchaus mutiges, wie auch facettenreiches Album, braucht es eine tolle Truppe, die natürlich von Sänger und Gitarrist Chris Harms angeführt wird. Ihm zur Seite stehen, wie gewohnt, Pi Stoffers (Gitarre), Class Grenayde (Bass), Gared Dirge (Keys, Piano, Synths, Gitarre) und Schlagzeuger Niklas Kahl. Produziert wurde „Blood & Glitter“ sowohl in den Hamburger Chameleon Studios als auch im finnischen Helsinki, in den dortigen Sonic Pump Studios. Veröffentlicht, wie üblich, über Napalm Records. Dann schauen wir uns nun noch ein bisschen das bunte und glamouröse Treiben an, das es auf „Blood & Glitter“ zu erleben gibt.

Gleich mit dem Titel-Stück geht es los und zeigt schon gut die Gegensätze, die es auf „Blood & Glitter“ zu entdecken gibt. Ein vielseitiger und opulenter Opener, der verschiedenste Stimmungslagen offenbart und auch Chris Harms in all seiner stimmlichen Wandlungsfähigkeit zeigt. Ein tolles Video gibt es als akustischen und optischen Beleg. „Leave Your Hate In The Comments“ ist gepaart mit Dark Wave Elementen, auch recht kraftvoll und modern, gelegentlich sogar etwas wild inszeniert, mit viel Wut, Wahrheit und Zynismus zwischen den Zeilen. Das Stück bezieht sich ganz offenkundig, auf die hasserfüllte und respektlose Verhaltensweise, von Internet-Trollen. Als kleine Fußnote, gibt es als Abschluss des Stückes, das textlich abgewandelte Song-Zitat von Britney Spears, „Hate (Hit) Me Baby One More Time“. „Absolute Attitude“ ist klar geprägt von der Pop Musik der 80er Jahre. Vereinzelt schwere Riffs, sind meist im Hintergrund gehalten, was sich aber zum Ende hin etwas intensiviert. Das große Highlight ist hier die Melodieführung insgesamt und der wunderbare, sehr erhaben wirkende Refrain, im speziellen. „The Future Of A Past Life“ ist ein Wechselbad der Gefühle zwischen typischen Depeche Mode Klängen früherer Jahre und traditionellem Lord Of The Lost Sound. Starke Riffs und tolle Arrangements sind gute Begleiter. Mit einer wahren Energie-Explosion zum Chorus, wird der entscheidende Höhepunkt gesetzt. Stimmlich sehr abwechslungsreich dargeboten, was auch an Gast Sänger Marcus Bischoff (Heaven Shall Burn) liegt, der dem Stück in gekonnter Weise, seinen Stempel aufdrückt. Als schwungvoll und zugleich stimmungsvoll, würde ich „No Respect For Disrespect“ bezeichnen, wenn gleich der Inhalt doch er finster erscheint. Durchaus poppig, mit viel Keys und Synths wird der Vers-Teils akzentuiert. Der Refrain begeistert mit bombastischer Opulenz und erweist sich durchaus, als Ohrwurm verdächtiger mega Hit, mit einer LOTL typischen Melodieführung. Auch das nachfolgende „Reset The Preset“ ist ein gutes Beispiel für all die Gegensätze, die man auf diesem Album finden kann. Neben den klassischen 80er Pop Musik Elementen, ist es vor allem die Gastbeteiligung von Combichrist Frontmann Andy LaPlegua, der dem Song die regelmäßigen Kehrtwendungen verschafft, mit seinen kraftvollen und ausdrucksstarken Vocals. Chris Harms harmoniert aber stimmlich hervorragend mit ihm und so wird auch wieder eine tolle Einheit der Gegensätze erreicht. „Destruction Manual“ wird durch die brillante Lead-Gitarre von Pi Stoffers angetrieben. Ein ziemlich wuchtiger Song, der aber auch recht abwechslungsreich ist. Insgesamt vielleicht noch das „traditionellste“ LOTL Stück auf diesem Album. „Dead End“ ist ein sehr energetischer Track, mit starken Keys und ein paar schönen Arrangements. Die Grundstimmung ist von ein wenig Melancholie geprägt. Der Song öffnet sich dann zum Refrain hin und zeigt sich von einer erhabenen Größe. Auch die stete Intensivierung im Verlauf des Stückes, ist beeindruckend inszeniert. „Leaving The Planet Earth“ kommt im typischen 80er Pop und Wave Gewand daher, mit insgesamt recht verschlepptem Spannungsaufbau. Zum Chorus hin gibt es einen Energieschub, die im Background gehaltenen Gitarren geben dem Song viel Tiefe aber auch ein etwas schweres Erscheinungsbild. Die Ausstrahlung ist eher finster und recht emotional. „Forever Lost“ erinnert zu Beginn, ein wenig an ältere Stücke von Rammstein oder Eisbrecher. Dies wird dann aber schnell von klassischen LOTL Passagen abgelöst, angereichert mit einer guten Portion Dark Wave. Der erhabene Monster-Refrain geht nicht nur super ins Ohr, er ist auch ein echter Ohrwurm, mit einem nicht weg zu diskutierenden Suchtpotenzial. Auf alle Fälle, mein persönlicher Top-Favorit! „Save Our Souls“ wird von einem kraftvollen, instrumentalen Gerüst getragen, mit starken, dominanten Gitarren. Der Wechsel mit Synthie-Pop Sequenzen zeigt dann wieder die Vielseitigkeit und die überraschend gute Harmonie der Kontroversen. Im Besonderen beim voluminösen Chorus, steht der nächste Gast im Fokus. Subway To Sally Geigerin Ally Storch, setzt ihr Instrument ganz brillant ein, um diesem Stück einige tolle Highlights zu schenken. „One Last Song“ hat für Chris Harms eine besondere Bedeutung und ist natürlich auch textlich sehr emotional und deutlich in seiner Aussage. Das Stück ist freilich ziemlich dunkel aber irgendwie auch traurig schön. Klassischer Dark Wave Stoff, im Stile von Bands wie beispielweise Blutengel. Der Songaufbau ist hervorragend gestaltet, mit guter Intensivierung im Verlauf. Gesanglich sehr eindringlich und ausdrucksstark, mit einer recht persönlichen Note versehen. „One Last Song“ ist dann auch tatsächlich der letzte Song des regulären Albums. Aber es gibt noch einen tollen Bonus-Track als Zugabe, nämlich ein wirklich gut gelungenes Cover. Bei der musikalischen Ausrichtung von „Blood & Glitter“ hätte man ja nun davon ausgehen können, dass sich LOTL einen typischen 80er Jahre Pop/Wave Song ausgesucht hätten, aber weit gefehlt, dem ist nicht so. Es wurde der Pop/Rock-Klassiker „The Look“ von den schwedischen Megasellern Roxette ausgewählt! Für mich hat dieses Lied schon seit seiner Veröffentlichung Ende der 80er, eine sehr spezielle Bedeutung und wird auch immer zu meinen Alltime-Favourites gehören. Ich bin zwar weit entfernt davon zu sagen, dass diese Version besser ist, als das Original aber Lord Of The Lost haben dem Song ihren ganz eigenen Stil eingehaucht und die modernere, etwas schwerere und auch dunklere Interpretation, hat schon das gewisse Etwas. Natürlich brauchte es bei diesem Song eine Duett-Partnerin für Chris Harms. Die Wahl viel, natürlich auch eher ungewöhnlich, auf das erfolgreiche deutsche Pop-Sternchen Jasmin Wagner, die freilich besser bekannt ist, als Blümchen. Die beiden Stimmen passen überraschend gut zusammen und hinterlassen einen wirklich starken Eindruck. Auch in dieser Variante, ist „The Look“ ein großer Hit. Ein guter Song ist und bleibt eben ein guter Song.

Lord Of The Lost haben auf „Blood & Glitter“ gezeigt, dass man „bunt“ und „schrill“, durchaus mit „schwarz“ und „düster“ kombinieren kann. Allerdings, niemand sonst hätte das wohl so eindrucksvoll hinbekommen. Da kann man nur gratulieren! Das farbenfrohe Ereignis wird es in diesem Jahr auch auf vielen Bühnen dieser Welt zu bestaunen geben. Zunächst im Februar bei der bereits ausverkauften Club-Tour in Deutschland. Im Sommer dann, erneut als Support von Iron Maiden auf deren Europa-Tournee und obendrauf, sind Lord Of The Lost natürlich noch weltweit, bei einer ganzen Reihe von Festivals sehen.

Band

Chris Harms (Gesang, Gitarre)
Pi Stoffers (Gitarre)
Class Grenayde (Bass)
Gared Dirge (Piano, Keys, Synths, Gitarre, div. Percussions)
Niklas Kahl (Schlagzeug)

Gäste

Marcus Bischoff
Andy LaPlegua
Ally Storch
Blümchen

Titel

  1. Blood & Glitter
  2. Leave Your Hate In The Comments
  3. Absolute Attitude
  4. The Future Of A Past Life (feat. Marcus Bischoff)
  5. No Respect For Disrespect
  6. Reset The Preset (feat. Andy LaPlegua)
  7. Destruction Manual
  8. Dead End
  9. Leaving The Planet Earth
  10. Forever Lost
  11. Save Our Souls (feat. Ally Storch)
  12. One Last Song
  13. The Look (Roxette Cover) (feat. Blümchen)
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