Gelegentlich muss man auf die Erfüllung von Wünschen auch mal etwas länger warten. Einen solchen Wunsch haben nun die US Hardrocker Heavens Edge erfüllt und mit „Get It Right“, nach vielen, vielen Jahren, ein neues Album veröffentlicht. Der Band aus Philadelphia gelingt es sehr gut, den Spirit früherer Tage wieder einzufangen und sie liefern somit ein beeindruckendes Comeback! 8,5/10

Im Besonderen den jüngeren Lesern unter euch, wird die Band Heavens Edge vermutlich nicht viel sagen. Bei einigen der etwas älteren Leser dagegen, mag das aber anderes sein. Da gibt es sicher so manchen und da schließe ich mich gerne mit ein, bei dem Heavens Edge sogar eine Art Legenden Status haben. Ich möchte an dieser Stelle, so oder so, erstmal mit ein bisschen Band-Geschichte beginnen und euch auch erzählen, was mich mit den US Hardrockern aus Philly so stark verbindet. Nun, Philadelphia, südlich von New York City gelegen, ist vielen natürlich als große Sportmetropole bekannt, unter anderem mit dem NFL Team „Eagles“ oder der NHL Mannschaft „Flyers“. Aber gerade auch durch das Einzugsgebiet von New York bzw. New Jersey, ist die ganze Region auch ein gutes Pflaster, für eine große Hardrock Szene. Zumindest war sie das in den 80ern, bis hinein in die frühen 90er Jahre. Unter anderem mit Bands wie Bon Jovi, Skid Row oder Cinderella, um nur ein paar wenige der ganz großen Namen zu nennen, die in dieser Gegend groß geworden sind. 1987 machten sich dann auch Heavens Edge auf, um ein kleines Stück dieses sehr großen Kuchens abzubekommen. Gegründet von Mark Evans (Gesang), Reggie Wu (Gitarre, Keyboard), Steve Parry (Gitarre), David Rath (Schlagzeug) und George G.G. Guidott (Bass). Es dauerte nicht lange und man hatte in den bekannten, regionalen Clubs die ersten Auftritte und auch die Presse und die Labels wurden aufmerksam, weltweit! Kaum war dann der Plattendeal mit Columbia Records abgeschlossen, erlitten Heavens Edge einen herben Rückschlag. Ur-Basser G.G. wurde bei einem Gig in den Bauch geschossen und er überlebte nur knapp. Nachdem er wieder gesund war, ging es ins Studio und das sensationelle, selbstbetitelte Debüt Album wurde mit etwa einem Jahr Verspätung, 1990 auf den Markt gebracht. Es wurde aber trotzdem noch zu einem riesigen Erfolg, vor allem in den USA und zog sogar eine gemeinsame Tour mit Ronnie James Dio und Yngwie Malmsteen nach sich. Dieses Meisterwerk enthält unter anderem die Monster Hits „Skin To Skin“, „Play Dirty“, „Come Play The Game“ und „Find Another Way“. Damals, wie heute, gehört dieses grandiose Album zu meinen Lieblingsalben des Hardrock und Hairmetal Genres. Für mich persönlich, eine der aller stärksten Veröffentlichungen dieser Epoche. Dazu noch eine kleine Anekdote. Ich werde sicherlich niemals den Tag und den Moment vergessen, als ich mir damals das Heavens Edge Debüt gekauft habe. Denn es war seinerzeit, mein erstes Album, das ich mir als „CD“ gekauft hatte und habe damit dann tagelang, meinen neu erworbenen CD-Player eingeweiht. Solche Erinnerung vergisst man nicht, auch wenn sie heutzutage banal erscheinen und mittlerweile 33 Jahre zurück liegen. Wie ihr alle wisst, kam Anfang der 90er Jahre die sehr bedauerliche Grunge-Welle auf und hat die musikalische Landschaft nachhaltig verändert. Auch der aufgehende Stern von Heavens Edge war damals genauso schnell wieder erloschen, wie er zu leuchten begonnen hatte. Es gab noch einen Label Wechsel hin zu Capitol. Aber es kamen dann auch schon ein paar Unruhen im Bandgefüge auf. 1993 gab die Truppe aus Philly dann ihre Auflösung bekannt. Ende der 90er Jahre gab es die ersten Rückbesinnungen kleinere Labels auf die Musik der goldenen 80er und so hat die ehemalige, in München ansässige kleine Plattenfirma MTM Music, gemeinsam mit dem US Label Perris Records, das 2. Album „Some Other Place – Some Other Time“ herausgebracht, auch wenn es eigentlich kein richtig neues Album war. Weitestgehend besteht diese Scheibe aus überarbeiteten Demos, die Anfang der 90er, für ein damaliges, reguläres 2. Album aufgenommen wurden und ein paar unveröffentlichte B-Seiten vom Debüt. Dennoch ist dieses in 1998 erschienene Werk mit Kultstatus zu ehren. Denn, auch wenn Heavens Edge zu dieser Zeit eigentlich gar nicht aktiv waren und auch das originale Band-Logo nicht verwendet wurde, enthält die Scheibe etliche mega Songs, wie beispielsweise den Kracher „Rock Steady“, die wunderschöne Ballade „Just Another Fire“ oder den super Hit „Jacky“. In den folgenden 15 Jahren hat sich dann bei den US Hardrockern wenig bis gar nichts getan, ehe man in Original-Besetzung!!, beim 2013er Firefest in Nottingham, die Wiederauferstehung feierte. Es folgten weitere Festivals, unter anderem Auftritte bei der Monsters Of Rock Cruise. Auch die regionalen Clubs rund um Philadelphia waren zu den Heavens Edge Shows wieder gut gefüllt. Nachdem ja nun Ur-Bassist George G.G. Guidotti schon Ende der 80er die tragische Figur in der Band war, so wurde er das 2019 leider erneut, als er seinen harten Kampf gegen den Lungenkrebs verloren hat. Ein sehr bitterer und trauriger Moment. Nach längerer Überlegung hatten sich die verbliebenen Musiker dazu entschlossen dennoch weiter zu machen, auch, um G.G.‘s Andenken zu wahren und zu ehren. Sie heuerten für den Posten am Tieftöner Jaron Gulino an, der sich als dauerhaftes Bandmitglied gut eingefügt hat. Zudem kam dann vor und während der Corona Pandemie der Gedanke auf, ein neues Album zu komponieren. Zeit war ja dafür ausreichend vorhanden. Als Ideengeber diente dabei ganz offensichtlich das selbstbetitelte Debüt. Sowohl stilistisch, als auch vom Spirit her, knüpft die Musik von „Get It Right“, ganz klar an das 1990er Meisterstück an, wenngleich es ihm nicht zu 100% das Wasser reichen kann. Dennoch ist das neue Werk ein echtes Glanzstück, mit einer schönen Mischung aus dem traditionellen US Hardrock der späten 80er, gewürzt mit ein wenig Sleaze und Blues und einer kleinen Prise Glam. All das, verpackt in eine moderne Produktion, die Heavens Edge weitestgehend selbst durchgeführt haben. Stilistische Referenzen gäbe es für „Get It Right“ sicher ohne Ende. Wer sich eine Quersumme aus den frühen Werken von Skid Row, Warrant, Poison, Bon Jovi und Cinderella vorstellen kann, hat schon eine ziemlich gute Ahnung, was ihn auf dem, eigentlich ja ersten 2. regulären Studio-Album von Heavens Edge, so alles erwartet. Von der Musik und dem Konzept war dann auch sehr schnell Label Boss Serafino Perugino überzeugt und hat den US Legenden im vergangenen Jahr, einen Vertrag bei Frontiers Records gegeben. Es hat sich wohl auch in den USA herumgesprochen, dass entgegen früherer Jahre, viele der großen US Bands und Musiker von einst, mittlerweile auch in Europa, eine große Fanbase haben. Viele dieser 80er Helden, sind mittlerweile bei Frontiers unter Vertrag und haben tolle Alben und Comebacks abgeliefert.

Gleich zu Beginn des Openers und der ersten Single „Had Enough“, kann sich Neu-Basser Jaron Gulino in den Vordergrund spielen und eröffnet gemeinsam mit Drummer David Rath die gut 41 Minuten Hörspaß dieses Albums. Als ich den Song zum ersten Mal gehört hab, dachte ich am Anfang, ehrlich gesagt eher an Skid Row, als an Heavens Edge. Ich war auch nicht sofort überzeugt. Im Kontext des Gesamtwerkes, gehört die Nummer inzwischen aber zu meinen Top Favoriten. Auch wegen der brillanten Gitarren-Arbeit von Reggie Wu und Steve Parry, die sich ihr Talent und ihre spielerische Versiertheit, über all die vielen Jahre erhalten haben. Auch Mark Evans präsentiert sich vom ersten Moment an in bestechender Form und speziell der erhabene Chorus, könnte kaum ausdrucksstärker sein. „Gone Gone Gone“ kommt stimmungsvoll rüber, wenn gleich ein bisschen nachdenklich zwischen den Zeilen. Angeführt von einer brillant gespielten Lead-Gitarre und kraftvollen Riffs, als ständiger Begleiter, ist hier gleich das nächste Highlight am Start, mit typischem AOR Flair früherer Jahre. „Nothing Left But Goodbye“ liefert einen tollen Groove. Mit Sleaze, Blues, Glam und Rock ’n‘ Roll, werden Helden wie Poison, Cinderella und Skid Row gefeiert und man setzt sich damit gleichermaßen, selbst ein Denkmal. Was für eine coole Nummer, die man sich auch sehr gut auf dem 1990er Debüt hätte vorstellen können und die damals sicherlich ein Single Hit geworden wäre. Ein Gute-Laune-Rocker der Extraklasse, mit unglaublich viel Hörgenuss! Auch wenn Zeitreisen natürlich nicht wirklich möglich sind, musikalisch geht das ganz hervorragend! Auch der nächste Knaller hätte Ende der 80er eine top Platzierung in den Billboard Charts einfahren können. „What Could’ve Been“ kommt im mittleren Tempo daher, auch mit ein paar balladesken Momenten, die zu Beginn ein wenig an Bon Jovi zu „New Jersey“ Zeiten denken lassen. Das Stück ist ein Melodic-/Hardrock Super Hit, auf dem gleichen hohen Niveau wie „Jacky“, vom 1998er Release. Ausgezeichnet performt von allen Musikern. Im Besonderen Mark Evans, setzt mit seiner großartigen Stimme noch zusätzliche Highlights und macht aus der Nummer einen grandiosen Ohrwurm. Die Größe dieses Stückes haben die US Amerikaner auch selbst schon erkannt und ihn vorab, als Single nebst Video veröffentlicht. Die Ballade „When The Lights Go Down“ brilliert einmal mehr, mit einer wunderbar gespielten Lead-Gitarre, die den begeisterten Zuhörer erneut 35 Jahre in die Vergangenheit entführt. Das Stück ist sehr emotional geprägt, hat aber dennoch so viel Energie und auch instrumentale Stärke, dass es ganze Stadien begeistern könnte. Gerade dieser sukzessive Spannungsaufbau, hin zum mega intensiven Chorus, ist genau das was es braucht, um einen Song nachhaltig im Ohr zu behalten. Ich denke da beispielsweise an die super Balladen von Warrant („Heaven“, „I Saw Red“), die ganz ähnliche Qualitäten haben. „Raise Em Up“ fährt das Tempo und die Power dann mächtig nach oben. Vor allem Tieftöner Jaron Gulino und Schlagzeuger David Rath haben hier alle Hände voll zu tun, um eine kraftvolle Basis zu liefern, für die satten Riffs und Soli von Steve Parry und Reggie Wu. Ein sehr rasanter Rocker, der für die Bühne, wie gemacht zu sein scheint. Der Refrain kommt eher getragen rüber, gewinnt an Volumen und Ausdruck, durch gut eingesetzte Backings. Auch „9 Lives (My Immortal Life)“ ist ein echter Riff-Rocker, mit viel Groove und einer ordentlichen Portion Rock ’n‘ Roll. Es gibt ein paar traditionelle Heavens Edge Klangmuster zu hören, genauso wie die 80er typischen Gang-Vocals beim Chorus. Obendrauf, als zusätzliches Highlight, gibt’s ein tolles Power-Solo an der Gitarre zu bewundern. Eine druckvolle Gitarren-Arbeit stand bei der Band aus Philadelphia ja schon immer im Vordergrund, daher sind es auch bei „Dirty Little Secret“ wieder die Saiteninstrumente, die den Song prägen. Starke Lead aber auch eine tolle Leistung von Jaron Gulino am Bass, der zusammen mit Drummer David Rath, die Nummer gut vorantreibt. Mark Evans mit  eindringlicher Vocalline, die sich zum Refrain hin erhebt. „Beautiful Disguise“ ist eine kraftvoll instrumentierte, riffbasierte Melodic Rock Hymne, mit einem weiteren mega Chorus und einem schönen, etwas verspielten Gitarren-Solo, als zwischenzeitlichen Höhepunkt. „I’m Not The One“ beschließt dieses starke Comeback Album. Nach wuchtigem Start, wirkt der Vers-Teil eher etwas verhalten, mit fast melancholischer Stimmung. Man könnte aber auch sagen, der Song braucht einfach nur etwas Zeit, um Energie für den nächsten hammermäßigen Refrain zu sammeln, der hier ein letztes Mal, Mark Evans in absoluter Bestform zeigt. Das ist grandios, episch, sensationell! Wer braucht die 80er, wenn er Heavens Edge in so einer Form, auch in 2023 haben kann? Ok, natürlich schwebt auch hier der Geist früherer Jahre über dem Song aber hey, das ist einfach nur genial komponiert, gespielt und gesungen. Ein fantastischer Schlusspunkt eines grandiosen Albums!

Als ich irgendwann im letzten Jahr, ich meine es war im Sommer, gelesen hatte, dass Heavens Edge bei Frontiers Records einen Vertrag unterschrieben hatten und ein neues Album in Arbeit sei, kannte meine Vorfreude keine Grenzen. Ich hatte ja eingangs schon erwähnt, was mir diese Band und vor allem ihr Debüt von 1990 bedeuten. Umso größer waren nun die Erwartungen aber natürlich quälte mich auch die Frage, ob die US Hardrocker an frühere Erfolge anknüpfen können? Immerhin liegen da 33 Jahre dazwischen. Als ich „Get It Right“ vor ein paar Wochen dann zum ersten Mal gehört habe, waren mögliche Zweifel schnell verflogen und die Freude an diesem tollen Album wuchs mit jedem Durchlauf. Natürlich veröffentlicht man ein Jahrhundert-Album wie das selbstbetitelte Debüt nicht jeden Tag. „Get It Right“ ist davon aber sicherlich nicht allzu weit weg und ist definitiv eine hervorragende Basis, für noch so manches weiteres Meisterwerk in den kommenden Jahren. Herzlichen Glückwunsch an Heavens Edge zu einem beeindruckenden Comeback Album! Ich freue mich sehr auf mehr!!

Band

Mark Evans (Gesang)
Reggie Wu (Gitarre, Keyboard)
Steve Parry (Gitarre)
Jaron Gulino (Bass)
David Rath (Schlagzeug)

Titel

  1. Had Enough
  2. Gone Gone Gone
  3. Nothing Left But Goodbye
  4. What Could’ve Been
  5. When The Lights Go Down
  6. Raise Em Up
  7. 9 Lives (My Immortal Life)
  8. Dirty Little Secret
  9. Beautiful Disguise
  10. I’m Not The One
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