Kaum eine Rockband der aktuellen Zeit, bringt den Spirit der 80er Jahre so authentisch rüber, wie es die schwedischen Melodic-/Hardrocker Nestor tun. Ihr neues Album „Teenage Rebel“ könnte dafür kaum ein besserer Beweis sein. Also, rein in den DeLorean und los geht die Zeitreise, zurück ins Jahr 1989! 9/10

Das liefert mir dann auch gleich das Stichwort, denn, auch wenn „Teenage Rebel“ erst das zweite Album von Nestor ist, so wurden sie dennoch bereits 1989 gegründet, in dem vermutlich größten und legendärsten Jahr, in der Geschichte der Rockmusik. Man kann nun darüber spekulieren, warum Nestor nicht bereits 1989 zu einer der absoluten Größen der Rockgeschichte geworden sind. Nun, das mag zum einen vielleicht an der damaligen Jugend der Musiker gelegen haben, zum anderen aber sicher auch deshalb, weil sich dann ja Anfang der 90er die Uhren weiter gedreht haben und der typische, oftmals vom Hairmetal geprägte Melodic Rock bzw. AOR, dem Grunge und ähnlichen musikalischen Grausamkeiten zum Opfer gefallen ist. Nachdem es ja schon seit einigen Jahren ein großes Revival der traditionellen 80er Rockmusik gibt, vor allem in Großbritannien, den USA und ganz speziell auch in Schweden, haben sich dann wohl auch Nestor gedacht, man könnte nochmal einen Versuch wagen. 2021 war dann der Re-Start eine beschlossene Sache und bereits im Oktober desselben Jahres, erschien das von Fans und Presse gleichermaßen gefeierte Debüt „Kids In A Ghost Town“, nur eben mit gut 30 Jahren Verspätung. Hits wie „1989“, „Firesign“, „Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore)“, „On The Run“ oder auch „Tomorrow“, das grandiose Duett mit 80er Legende Sam Fox, ebneten für Nestor schnell den Weg. Sie spielten auf großen Festivals wie Wacken oder dem Sweden Rock, stachen in See auf der Monsters Of Rock Cruise, sie waren Support für ihre Landsleute H.e.a.t und Europe und sie teilten die Bühne mit weiteren großen Helden aus glorreichen Tagen, wie beispielsweise Alice Cooper oder Kiss. In ihrer Heimatstadt Falköping haben Nestor mittlerweile sogar ihr eigenes Festival ins Leben gerufen. (Nestor Fest 09.-10.08.2024). Der Hype um die schwedischen Melodic Rocker war schlagartig riesengroß. Dies bescherte ihnen dann auch einen Vertrag bei Napalm Records, über die zunächst das Debüt „Kids In A Ghost Town“ nebst Bonus-Tracks, nochmal neu veröffentlicht wurde und nun natürlich auch „Teenage Rebel“. Nach dem großartigen 2021er Debüt lag die Messlatte freilich extrem hoch und man durfte gespannt sein, ob es den Schweden gelingen würde, das hohe musikalische und kompositorische Niveau ihres Erstlings zu halten. Nun, die Frage ist schnell beantwortet. Ja, sie haben dies nicht nur mit Bravour geschafft, sie konnten sich sogar nochmal ein gutes Stück steigern und den einzelnen Songs einen noch höheren Hitfaktor verpassen und ihnen noch eingängigere Vocallines und Refrains mit auf den Weg geben. Auch spielerisch haben die Musiker von Nestor alles an Talenten ausgepackt, was sie zu bieten haben. An dieser Stelle ist es nun an der Zeit euch die Band vorzustellen. Am Mikro begeistert und beeindruckt Tobias Gustavsson, an der Gitarre glänzt und brilliert Jonny Wemmenstedt. Die kraftvoll und sehr versiert agierende Rhythmus-Fraktion setzt sich zusammen aus Bassist Marcus Åblad und Drummer Mattias Carlsson. Die tollen Keyboard und Piano Melodien liefert Tastengott Martin Frejinger. Musikalisch/Stilistisch setzen Nestor ihren eingeschlagenen Weg natürlich konsequent fort. Auch auf „Teenage Rebel“ gibt es höchst eingängigen und mitunter auch kraftvollen Melodic Rock/AOR zu hören, mit sehr hohem Suchtpotenzial. Es ist bei jedem Durchlauf ein neuerlicher Kampf der Ohrwürmer um die Spitzenposition. Natürlich sind viele Größen aus den 80er Jahren stilistischer Pate für so manchen Nestor Hit, wie beispielsweise Bon Jovi, Def Leppard, Foreigner, Giant oder Toto. Aber es ist den schwedischen Melodic-Rockern bereits mit ihrem Debüt gelungen, ihren eigenen Stil zu kreieren. Dies verleiht ihrer Musik auch diese große Authentizität und das, obwohl sie sich damit natürlich in einem sehr stark bevölkerten Genre bewegen. Das kann man nicht hoch genug würdigen! Ein weiterer Vorteil ist sicherlich auch, dass man selbst noch die echten Gene der 80er in sich trägt. Wie schon beim 2021er Auftakt, so kommt auch „Teenage Rebel“ trotz der musikalischen Ausrichtung, mit einem zeitgemäßen Sound daher. Das aktuelle Meisterstück liefert 41 Minuten Hörspaß, verteilt auf 11 Stücke, die hochklassiger und eingängiger kaum sein könnten.

Gleich das coole Intro nimmt uns mit ins Jahr 1989. Zum einen wird der gleichnamige Song vom Debüt nochmal kurz aufgegriffen aber auch die gesprochene Einleitung der dänischen Synchronsprecherin Freya Miller und die eingefügten Nachrichten-Ausschnitte, spiegeln genau das wider. Durchaus rebellisch geht es dann auch direkt weiter, mit dem kraftvollen, riffgetriebenen „We Come Alive“. Ein typischer Nestor Song, mit eindringlicher aber auch sehr eingängiger Vocalline. Das Titel-Stück „Teenage Rebel“ führt dies ungebremst weiter. Die aktuelle Single/Video Auskoppelung aus dem Album wurde als Riffrocker geboren und entwickelt sich durch brillante Keys und einen Power-Chorus, zu einer echten Hymne, die durchaus auch ein paar Sleaze und Glam Nuancen mitliefert. Die Nummer könnte auch von Crazy Lixx sein. Einer meiner absoluten Top-Favoriten ist „Last To Know“. Irgendwo zwischen Melodic Rock Monster-Hit und Power Ballade angesiedelt, versprüht das Lied ein derart hohes Suchtpotenzial, dass es fast unmöglich ist, sich dem zu entziehen. Instrumental gesehen, durchaus ein bisschen im Fahrwasser von Def Leppard unterwegs. In den späten 80ern wäre diese Nummer wohl in den Radios rauf und runter gelaufen. Ähnliches gilt aber auch für „Victorious“, mit dem Nestor das Tempo wieder deutlich verschärfen. Eine echte Melodic Rock Granate, nach typisch schwedischer Schaffenskunst. Geprägt von Jonny Wemmenstedt‘s brillantem Gitarre-Spiel und angetrieben von der druckvoll agierenden Rhythmus-Abteilung um Tieftöner Marcus Åblad und Drummer Mattias Carlsson, erleben wir eine Hymne für die Ewigkeit, die fraglos auch das Potenzial zum Stadionrock-Super-Hit besitzt. Die tollen Keyboard-Parts von Martin Frejinger und die ausdrucksstarken Vocals von Tobias Gustavsson, geben dem Song eine unglaubliche Langzeitwirkung. Überragend! Auch das folgende „Caroline“ wurde bereits zusammen mit bewegtem Bildmaterial, den begeisterten Fans vorgestellt. Und meine langjährige These, dass die Stücke, die einen Frauennamen im Titel tragen, immer zu den stärksten des jeweiligen Albums zählen, wird auch hier wieder klar und deutlich belegt. Warum das wohl so ist? Vermutlich steckt gerade in diesen Songs eine besondere Emotionalität. „Caroline“ ist im mittleren Tempo unterwegs, mit ruhigeren aber auch kraftvolleren Passagen. Eine abwechslungsreiche Nummer, wie gemacht für die einschlägigen Radiostationen. „The One That Got Away“ ist eine wunderbare, gefühlvoll dargebotene Ballade, mit tollen Piano und Keyboard Klängen als Begleitung. Der gut entwickelte Spannungsbogen gibt dem Lied eine noch intensivere Wirkung im Verlauf, mit verstärkter Instrumentierung. Eine sehr starke Vocal-Bridge weckt Erinnerungen daran, was für tolle Musik Bon Jovi in den 80ern gespielt haben. „Addicted To Your Love“ ist ein weiterer, typisch schwedischer Melodic Rock Knaller, der sowohl mit starken Riffs, als auch mit fetten Keys begeistert und in einem opulenten, ohrwurmverdächtigen Chorus, seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt findet. „21“ greift die rebellischen aber auch ein bisschen nostalgisch geprägten Jugendjahre auf. Ein rasanter, kraftvoller, gitarrenorientierter Song, mit großartiger Vorstellung der gesamten Instrumental-Fraktion. Die Gesangs-Melodie der Bridge vor dem ausdrucksstarken Power-Refrain, erinnert ein ganz klein wenig an „Wouldn’t It Be Good“ von Nik Kershaw, einem bekannten, großen Rock-Klassiker aus den 80ern. „21“ reißt super mit, versprüht sehr viel Energie und dürfte sicher langfristig zum „Live“-Set gehören. „Unchain My Heart“ hebt sich stilistisch ein bisschen ab. Hier ist deutlich mehr Groove zu spüren und auch eine gute Portion Rock ’n‘ Roll schallt einem aus den Lautsprechern entgegen. Im musikalischen Stil-Mix aus Foreigner, Whitesnake und Giant ist hier ein grandioser Hit entstanden, der auch die spielerische Klasse von Nestor sehr gut in den Vordergrund rückt. Große Klasse! Zum Abschluss gibt es dann nochmal eine wunderbare, sehr emotional geprägte Ballade. Eine Hommage aller Väter an ihre Töchter, in der Sorgen und Ängste aber auch Stolz, Vertrauen und bedingungslose Liebe, mit teils melancholischer Ausstrahlung zum Ausdruck gebracht werden. Speziell wenn der Augenblick da ist, wo die jungen Damen das Haus verlassen, um ihr eigenes Leben zu führen. Ein wundervolles Stück, mit durchaus auch sehr persönlich wirkender Geschichte. Die musikalische Begleitung ist hier etwas zurückhaltender ausgefallen, wenngleich es durchaus auch ein paar kraftvollere Momente gibt. Das große Highlight ist hier aber zweifelsfrei die grandiose und sehr facettenreiche Gesangsdarbietung von Tobias Gustavsson. Ein toller, sehr emotionaler Schlusspunkt, für ein eindrucksvolles Genre-Highlight!

Auch wenn Nestor ihre musikalische Karriere erst mit 30 Jahren Verspätung so richtig begonnen haben, so darf man ihnen nun umso mehr gratulieren, was sie mit ihren ersten beiden Alben erschaffen haben! Fraglos werden die schwedischen Melodic/Hardrocker mit ihrem neuen Meisterstück „Teenage Rebel“ einen weiteren, riesigen Sprung in Richtung des Rockolymps machen. Sowohl für junge, als auch für alte, bzw. junggebliebene Genre-Fans, ist das neue Nestor Album definitiv eine Pflichtlektüre! Die Schweden haben sich für dieses Jahr auch „live“ eine ganze Menge vorgenommen. Neben der Teilnahme an etlichen Festivals (u.a. Sweden Rock, Rock Harz, Summer Breeze und natürlich ihr eigenes Nestor Fest), gibt es auch eine ausgedehnte Europatournee im Herbst als Headliner, mit den sehr starken Velveteen Queen als Support Act!

Band

Tobias Gustavsson (Gesang)
Jonny Wemmenstedt (Gitarre)
Marcus Åblad (Bass)
Mattias Carlsson (Schlagzeug)
Martin Freijinger (Keyboard)

Titel

  1. The Law Of Jante (Intro) feat. Freya Miller
  2. We Come Alive
  3. Teenage Rebel
  4. Last To Know
  5. Victorious
  6. Caroline
  7. The One That Got Away
  8. Addicted To Your Love
  9. 21
  10. Unchain My Heart
  11. Daughter
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