Die US amerikanische Melodic-/Symphonic Metal Band Everdawn begeistert ihre Fans mit einem sehr aufwändig komponierten, vor Spielfreude strotzendem, neuen Album! „Venera“ ist opulent im Klang, kraftvoll im Ausdruck und sehr vielseitig in seiner Erscheinung. 9/10

Everdawn haben ihre Basis in New Jersey in den USA. Die Band wurde bereits 2014 gegründet, zunächst als Midnight Eternal. Unter diesem Namen haben sie ein großartiges, selbstbetiteltes Debüt (2016) veröffentlicht. Im Entstehungsprozess zum Nachfolger kam es zum Split mit der ursprünglichen Sängerin Raine Hilai. Man sammelte daraufhin die Kräfte neu, der Bandname musste geändert werden und somit gingen nun die Gründungsmitglieder Boris Zaks (Keyboard), Richard Fischer (Gitarre) und Dan Prestup (Schlagzeug) ihren Weg unter dem neuen Banner Everdawn unbeirrt weiter. Sie fanden auch alsbald eine neue Frontlady. Diesen Posten bekleidet seit der Neuformierung Alina Gavrilenko, eine klassisch ausgebildete, kanadische Sängerin, mit russischen Wurzeln. Auf dem ersten Everdawn Album „Cleopatra“ (2021) war dann auch noch Bassist Mike LePond zu hören. Da dieser aber mit seiner Stammband Symphony X aktuell sehr viel zu tun hat, stieg er aus und wurde während der Entstehung des neuen Albums „Venera“, durch Alan d’Angelo ersetzt. Egal ob noch zu Midnight Eternal Zeiten oder nun als Everdawn, die Truppe hat schon immer sehr viel „Live“-Präsenz gezeigt, unter anderem zusammen mit Bands wie Therion, Xandria, Delain, Queensryche, Visions Of Atlantis oder auch zuletzt, im Vorprogramm vom großen Michael Schenker. Dies hat dem New Jersey Fünfer auch in Europa schon frühzeitig eine gute Fanbase verschafft. Die Alben sind mittlerweile längst keine Geheimtipps mehr und mit dem neuen Epos „Venera“, werden Everdawn sicherlich nochmal ein gutes Stück an Bekanntheit dazu gewinnen. Hilfreich dabei ist sicher auch der neu abgeschlossene Vertrag mit dem italienischen Label Frontiers Records. Aber auch die Tatsache, dass der allseits bekannte und sehr geschätzte Jacob Hansen Mix und Master durchgeführt hat, dürfte der gesamten Reputation und dem Stellenwert von Everdawn im melodischen Metal Sektor, sicher auch sehr gut tun. Musikalisch bewegen sich die US Amerikaner auf gewohnt hohem Niveau. Auch „Venera“ liefert eine schöne Mischung aus Symphonic Metal, Melodic Metal und Power Metal. Einen sehr großen Wert haben die 5 Musiker auf eingängige Melodiebögen gelegt, die oftmals in tollen Refrains ihren Höhepunkt finden. Neben der brillanten Gesangsleistung von Alina Gavrilenko, steht auch sehr oft die unglaublich filigran gespielte Gitarre von Richard Fischer im Mittelpunkt, genauso wie die exzellent installierten Keys, von Tastengott und Hauptsongwriter Boris Zaks. Natürlich sind Einflüsse diverser anderer Bands aus dem Genre zu erkennen, wie beispielsweise Nightwish in ihren Anfangsjahren, Xandria, Therion oder auch immer mal wieder Amberian Dawn. Die Spielzeit von „Venera“ ist mit 62 Minuten durchaus beeindruckend ausgefallen. 14 Songs halten den Zuhörer in Atem und wissen über weite Strecken des Albums zu begeistern. Dies gilt übrigens auch für das wundervolle Cover-Design. Inspiriert vom Album-Titel und von Sandro Botticelli‘s berühmtem Gemälde „La nascia di Venere“ (Die Geburt der Venus), hat die Künstlerin Zsofia Dankova eines der schönsten Cover-Artworks erschaffen, das je ein Metal Album verziert hat!

Los geht es mit der ersten Single/Video Auskoppelung „Cassiopeia“. Der Auftakt ist ein wenig dramatisch, mit sehr opulentem Klangbild, geprägt von schönen Orchester-Parts und der brillant gespielten Lead-Gitarre von Richard Fischer. Obendrauf kommen noch starke Keyboard/Synthesizer Sequenzen, mit denen sich auch Boris Zaks in den Vordergrund spielt. Alina Gavrilenko steigt ein und hebt das Lied mit ihrer bezaubernden Stimme, sofort aufs nächst höhere Level. Mit spielender Leichtigkeit variierte sie die Gesangstechniken und zeigt, dass sie zu den ganz großen Stimmen des Genres zu zählen ist. Mit viel Power aus der Rhythmus-Abteilung, zeigen Tieftöner Alan d’Angelo und Drummer Dan Prestup ihre Stärken. „Century Black“ ist nicht nur die unlängst veröffentlichte 2. Single nebst Video, die Nummer ist auch einer meiner drei absoluten Top-Favoriten auf dem Album. Das Stück begeistert erneut mit genialer Gitarren-Arbeit, dazu kommt eine sehr eingängige Gesangsmelodie, mit einem erhabenen, unfassbar starken Refrain, der sich tief im Ohr festsetzt. Tolle Keys und ein gewaltiges Sound-Konstrukt, verleihen dem Stück mitunter sogar cineastische Größe. Nummer 2 unter meinen Top-Hits ist „Silver Lining“. Ein ziemlich rasanter Song, mit Headbanger-Qualitäten, progressiven Nuancen und ein paar stilistischen Querverweisen zu Sonata Arctica. Highlights sind einige richtig gute Übergänge, ein sehr starkes Spiel mit dem Tempo und ein weiterer, großartiger Chorus. Sehr facettenreich gibt sich hier auch Alina Gavrilenko, die bei diesem Stück oftmals in einer ziemlich tiefen Tonlage agiert. Ihr wollt einen epischen Knaller? Genau das ist „Silver Lining“! Bei dem etwas rhythmischer angelegten „Karmic Partner“ kommt die Vielseitigkeit von Dan Prestup und Alan d’Angelo wieder richtig gut zum Vorschein. Das Tempo hin zum Refrain wird dabei etwas verschleppt, mit schweren Riffs nimmt die Nummer dann aber Fahrt auf. Boris Zaks weiß sowohl mit ein paar Orchester-Arrangements, als auch tollen Keyboard-Parts zu überzeugen. Das abwechslungsreiche Lied hält zudem einen kurzen Gänsehaut-Moment parat. „Northern Star“ schallt einem sehr druckvoll entgegen, einmal mehr geprägt von der grandiosen Gitarren-Arbeit von Richard Fischer. Der Vers ist eher getragen. Mit einer super Bridge und majestätischen, opulenten Klängen, kommen wir zum erhabenen Chorus, der sich nachhaltig in den Gehörgängen festsetzt. Eine richtig gute und kraftvolle Symphonic-/Melodic Metal Granate! Boris Zaks eröffnet „Justify The Means“ mit wunderbaren Keys und ist auch im Weiteren, stets präsent. Ein paar Klangmuster erinnern dabei durchaus an die Finnen Amberian Dawn. Die Nummer steigert sich schnell und eine große instrumentale Power, hat meist das Heft fest in der Hand. Nach sanftem, Keyboard dominiertem, etwas schwermütigem Beginn, mit filigran gespielter Lead-Gitarre, entwickelt sich „The Promise“ zu einem intensiven, sehr vielseitigen Song, bei dem auch Alina Gavrilenko wieder ihr volles Repertoire zeigt. Teils unterstützt von starken Backing-Vocals, kommt hier eine große klangliche Tiefe zum Vorschein. „Crimson Dusk And Silver Dawn“ ist eine Spielwiese für die Instrumental-Fraktion. Zu der meist großen Rhythmus-Power von Dan Prestup und Alan d’Angelo, ist es vordergründig Richard Fischer, der mit unglaublich facettenreichem und brillantem Gitarre-Spiel zu begeistern weiß. Ein sehr starkes und abwechslungsreiches Instrumental-Stück. Der Titel-Song „Venera“ wird von Boris Zaks‘ großartig gespieltem Keyboard-Klangteppich getragen. Der Songaufbau ist super gelungen, mit vielen Tempo-Wechseln, schönen Übergängen und toller Grundstimmung. „Orion’s Belt“ ist nun der dritte meiner persönlichen Top-Favoriten. Das Stück kommt über weite Strecken in mittlerer Geschwindigkeit daher. Das Klangbild ist opulent, teils majestätisch, mit etwas Dramatik und Theatralik. Starke Keys, ein paar Chor-Passagen, eine mega Melodie-Führung und ein sensationeller Refrain, sind die Eckpfeiler eines genialen Hits, der auch wieder ein bisschen im stilistischen Fahrwasser von Amberian Dawn unterwegs ist. „Images Everlasting“ geht auch von Beginn an sehr gut ins Ohr. Fette Riffs, satte Drum und Bass-Power reißen mit, wunderbar gespielte Keys sorgen für Ausstrahlung. Gelegentlich kommt mal ein bisschen 80er Jahre Feeling auf. Ansonsten bewegt sich die Nummer zwischen der Musik von Nightwish in den Anfangsjahren und Xandria während der Dianne van Giersbergen Ära. Der Refrain hat hymnischen Charakter und Frontlady Alina Gavrilenko liefert eine ganz fantastische Performance ab. Sehr stark auch das Solo-Duell von Richard Fischer und Boris Zaks im Mittelteil. Das ist die ganz hohe Kunst! „Samsara“ lebt von einer gewaltigen Rhythmus-Power, Dan Prestup und Alan d’Angelo mit einer echten Glanzleistung. Richard Fischer’s druckvolle Riffs harmonieren damit prächtig. Ein bisschen Prog steckt da dann auch noch mit drinnen. Das ständige Spiel mit dem Tempo hält die Spannung hoch. Die klassischen Vocals geben dem Song viel Ausdruck und Größe. „Truer Words Ever Spoken“ ist vielleicht das außergewöhnlichste Stück, das Everdawn bislang veröffentlicht haben. Die XL Nummer kommt mit einer Spieldauer von annähernd 13 Minuten ums Eck. Bei diesem Epos zeigen die US Amerikaner all ihre spielerischen Fähigkeiten, mit großem Facettenreichtum aber auch mit einer guten Portion Experimentierfreudigkeit. Die lange Einleitung wirkt sphärisch, mit grandiosen Keys von Boris Zaks und tollem Solo von Richard Fischer. Das hat ganz klar Ayreon Niveau! Nach einer Weile kommt das Lied dann in Gang, mit viel instrumentaler Größe aber auch einer sehr variabel agierenden Alina Gavrilenko. Nach etwa einem Drittel der Spielzeit leitet eine ruhige Passage über, in einen längeren, stilistisch sehr experimentellen Part. Verschiedenste Musikstile kommen hier zum Vorschein. Angefangen mit folkigen Klängen, reicht das bis hin zu afrikanisch anmutenden Momenten, ein klein wenig spanischer Folklore, typisch osteuropäischen Klängen und orientalischen Tonfolgen. Man kann sich sicher denken, was Everdawn mit all diesen Stilelementen in Kombination, ausdrücken möchten. Nach diesem Intermezzo hat dann weitestgehend wieder der traditionelle, melodische Metal die Oberhand. Mit opulentem Soundgewand, geht dieser etwas ausufernde Track dann zu Ende. Das Album-Ende bildet dann „Beneath The Well“. Schwere Riffs und richtig fette Keys stellen die Basis. Die Rhythmus-Abteilung meldet sich dann auch zu Wort und mit ein bisschen Orchester oben drauf, nimmt die Nummer etwas Fahrt auf. Das Tempo ist dennoch oft verhalten, es gibt aber auch ein paar flottere Passagen zur Auflockerung. Stilistisch, klangtechnisch, hängt das Stück ein wenig mit dem vorherigen zusammen, da sind einige Parallelen erkennbar. Die Vocals schweben ein bisschen über dem Stück. Klassische Backings kommen gelegentlich dazu, womit ein gutes Volumen erzeugt wird.

Mit „Venera“ festigen Everdawn ihre Stellung und ihre Ansprüche im melodischen und sinfonischen Metal nachhaltig! Speziell in Europa dürften sie mit diesem Album offene Türen einrennen. Die Begeisterung bei Fans aus dem Genre wird bestimmt groß sein und dem New Jersey Fünfer sicherlich weiter den Weg ebnen. Speziell die hohe musikalische und kompositorische Qualität, machen Everdawn und ihre neues Werk „Venera“ zu einem echten Highlight! Ich sende meine herzlichsten Glückwünsche über den Atlantik, für ein wirklich bemerkenswertes und facettenreiches Album. Release Day ist der 08.12.2023!

Band

Alina Gavrilenko (Gesang)
Richard Fischer (Gitarre)
Alan d’Angelo (Bass)
Dan Prestup (Schlagzeug)
Boris Zaks (Keyboard)

Titel

  1. Cassiopeia
  2. Century Black
  3. Silver Lining
  4. Karmic Partner
  5. Northern Star
  6. Justify The Means
  7. The Promise
  8. Crimson Dusk And Silver Dawn
  9. Venera
  10. Orion’s Belt
  11. Images Everlasting
  12. Samsara
  13. Truer Words Ever Spoken
  14. Beneath The Well
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