Die schwedische Symphonic Metal Band Emetropia hat sich für ihre Fans etwas ganz besonderes einfallen lassen. Für „An Acoustic Endeavor“ haben die kreativen Musiker 4 Songs ihres Debüts „Equinox“ in einem akustischen Gewand neu erschaffen und zeigen damit eine weitere Facette ihrer Genialität. 10/10

Ihr werdet euch nun sicher fragen, wieso gibt dieser Autor einer akustischen 4-Track-EP die volle Wertung von 10 Punkten und das, obwohl es die Songs ja eigentlich schon gibt? Nun, das werde ich euch in diesem Artikel sehr gerne erläutern. Eines muss man dazu gleich vorweg sagen. Gerade in solch instrumental stark reduzierten Versionen, kommt meistens erst die ganze Genialität zum Vorschein, die hinter den einzelnen Kompositionen steckt.

Aber wollen wir ein bisschen weiter vorne anfangen, denn es gibt sicher Leser unter euch, die mit Emetropia und ihrem sensationellen Debüt-Album „Equinox“ nicht ganz so vertraut sind und dies ist schließlich die Basis für „An Acoustic Endeavor“. „Equinox“ wurde letztes Jahr am 23. Februar veröffentlicht, es folgte nur wenige Wochen später die erste kleine Europa-Tour zusammen mit den Genre-Größen Visions Of Atlantis und Secret Rule. Die Resonanz aufs Album und die Tour war ganz ausgezeichnet und so haben sich Emetropia zunächst dazu entschlossen, dem regulären Album eine reine Symphonic-Edition folgen zu lassen. Diese fand vor allem bei Fans großen Anklang, die sich sehr gerne mit den gewaltigen klassischen Arrangements eines Symphonic Metal Albums beschäftigen und diese sind auf „Equinox“ mehr als beeindruckend. Wer meine bisherigen Artikel zu dem Album kennt oder sich ansonsten bereits mit den schwedischen Newcomern ein wenig beschäftigt hat, weiß, dass hinter diesem brillanten Debüt auch eine spannende Geschichte steht, die von Sängerin Lisa Wallenberg verfasst wurde und hier nun in Auszügen, eine ganz andere Interpretation erfährt. Ehe man sich mit aller Intensität an die Arbeiten fürs nächste Album macht, wollten die fünf talentierten Musiker noch ein kleines Experiment wagen und vier ihrer Stücke, in einem akustischen Gewand präsentieren, durchaus auch mit dem Hintergedanken, ihren musikalischen Horizont und ihre Fähigkeiten ein gutes Stück zu erweitern. Es ging Emetropia bei „An Acoustic Endeavor“ aber nicht darum einfach nur ein paar Akustik-Versionen ihrer Songs zu veröffentlichen. Nein, sie wollten die Songs komplett umschreiben, ihnen ein neues Erscheinungsbild geben, ihnen auch eine ganz andere Wirkung verpassen, die dann stimmungsmäßig, dennoch in den Kontext von Lisa‘s Storyline passt. Und an dieser Stelle wird dann die angesprochene, wahre Genialität sichtbar. Könnt ihr euch beispielsweise einen Symphonic Metal Song vorstellen, den man so umschreibt, dass er klingt, als würde ihn eine Band in den 60er Jahren in einer verrauchten Jazz und Blues Kneipe spielen? Nein? Dann hört euch mal die Anfangspassage von „A Gentle Breeze“ an. Was ich damit aber in erster Linie sagen möchte, ich finde es unfassbar brillant, wie man aus so kraftvollen und sehr opulenten Symphonic Metal Songs, mit einer riesigen Wand aus instrumentaler Größe, so facettenreiche, akustische „neue“ Stücke erschaffen kann, die etwas vollkommen anderes ausstrahlen, eigentlich komplett anders klingen und dennoch, an der grundlegenden Basis der Melodieführung, nach wie vor gut zu erkennen sind. Natürlich mit unveränderten Lyrics. Die sympathischen Musiker von Emetropia sind bereits in jungen Jahren große Künstler, mit unglaublich viel Kreativität und einem offenbar unendlichen Ideenreichtum ausgestattet. „An Acoustic Endeavor“ ist sicher ein wenig extravagant, könnte man wohl sagen. Ich persönlich, würde es aber eigentlich lieber als pure Genialität beschreiben, verbunden mit dem Mut, etwas wirklich Außergewöhnliches zu kreieren. Genau das ist ihnen gelungen und das ist auch der Grund, warum ich diesen vier Akustik-Songs die volle Punktzahl gegeben habe. Einen großen Teil des kreativen Schaffens bei Emetropia liegt in der Hand von Keyboarder Liam Strand, der auch für die Arrangements verantwortlich ist. Wie schon erwähnt, gehört die wundervolle Stimme der schwedischen Newcomer, der einzigartigen Lisa Wallenberg, deren Vielseitigkeit und Ausdrucksstärke, bei diesen neu erschaffenen Akustik-Stücken, nochmal ein ganzes Stück deutlicher zum Vorschein kommt. Durch die stark reduzierte instrumentale Wucht, steht ihr Gesang natürlich noch wesentlich präsenter im Fokus. Es wird sehr deutlich, wie großartig sie ihre Stimme einzusetzen weiß. Ich bin nicht sicher, ob eine Tarja Turunen in diesem jungen Alter, bereits so vielseitig war. Selbstverständlich kommen auch die Gitarren nicht zu kurz, wenngleich natürlich alles im akustischen Rahmen. Dass sie auch das hervorragend beherrschen, zeigen Olle Renius und Jonatan Jakobsson ein ums andere Mal, mit filigranem Spiel und das auf relativ ungewohntem Terrain. Drums und Percussion braucht es freilich auch bei einem Akustik-Album. Oscar Heikkinen löst die Aufgaben, wie üblich, mit Bravour. Er sorgt oft genug mit seinem tollen Schlagzeugspiel für ein wenig zusätzliche Energie und leitet ein paar tolle Richtungswechsel ein. Für den guten Sound beim Original war ja bekanntlich Michele „Meek“ Guaitoli (Visions Of Atlantis, Temperance) zuständig. Für „An Acoustic Endeavor“ sind Emetropia einen anderen Weg gegangen. Den Mix hat man selbst gemacht, in Person von Saitenhexer Olle Renius. Gemastert wurde die EP von Jonathan Rosso (1017 Music). Das komplette Konzept dieses akustischen Ausflugs ist total schlüssig und so passt es dann auch sehr gut, dass das Cover-Artwork in deutlich schlichterem Bild erscheint. Die Cover von „Equinox“ und den jeweiligen Singles, wurden passend zur Ausstrahlung und der Opulenz, sehr farbenfroh und bildgewaltig, von Jani Stefanovic gestaltet. Das sehr schöne, etwas schlichtere Artwork für „An Acoustic Endeavor“, wurde nun von Robin Hakanen Martio entworfen, der übrigens auch das tolle, sehr authentische und sympathische Bandfoto geschossen hat. Veröffentlicht wird die Akustik-EP, wie gewohnt, Label unabhängig und wird ab dem 24.03.2023 bei allen größeren Streaming-Plattformen zum Download bereitstehen.

„A Gentle Breeze“ (Original-Titel „A Summer Breeze“) macht den Auftakt zu diesem unterhaltsamen Akustik-Werk. Wie oben schon erwähnt, fühlt man sich zu Beginn des Stückes, ein klein wenig, als wäre man in einer alten Jazz/Blues Kneipe in den 60er Jahren. Man könnte sich diese Version auch gut als Musical-Song oder dem entsprechenden Soundtrack vorstellen. Liam Strand begeistert mit schönen, schweren Piano-Klängen und passenden aber dezenten Arrangements. Liam fungiert dabei auch immer wieder mal als Gesangspartner für Lisa Wallenberg. Im Original macht er dies an gleicher Stelle auch aber eher im Hintergrund, mit vereinzelten Growls. Lisa interpretiert ihre Rolle hier sehr emotional und offenbart eine unglaubliche Vielseitigkeit, fast als würde sie in die Rolle einer Musical-Darstellerin schlüpfen. Wirklich großartig! Die Gesangsmelodie bleibt in weiten Teilen erhalten, erfährt aber eine komplett andere Ausdrucksform und Stimmung. Die anfängliche Ausstrahlung verändert sich im Verlauf deutlich. Auch durch das tolle Gitarre-Spiel von Jonatan Jakobsson und Olle Renius, wird eine gute Portion an Energie erzeugt, selbst ein Solo wurde mit eingebaut. Oscar Heikkinen setzt viele Akzente und leitet auch gekonnt das energetische Songfinale ein. Weiter geht es mit dem wunderbaren „The First Flower Blooms“ (Original-Titel „The First Leaf Falls“), das gleich zu Beginn, auch eine kleine Veränderung bei den Vocals offenbart. Im Gegensatz zum Original, wird hier der erste Teil von Strophe 1, von einem sehr sonoren Männer-Chor gesungen, angeführt von Liam Strand. Das hat fast ein wenig was von Gregorian, falls die jemand von euch kennt? Sehr düstere Ausstrahlung, begleitet von der Akustik-Gitarre. Als starker Kontrast dazu, übernimmt dann Lisa Wallenberg mit sanfter, fast verletzlich zart wirkender Stimme und verleiht dem Stück einen mystischen Charakter. Es wird dann aber nach und nach etwas schwungvoller, Oscar Heikkinen steigt mit ein und auch die Gitarren-Virtuosen Olle Renius und Jonatan Jakobsson kommen deutlich mehr zum Zug. Es ist sogar fast ein bisschen Groove zu spüren. Macht euch mal den Spaß und hört diese Version und das Original, ein paar Mal im Wechsel an, dann könnte ihr pure Magie und echte Genialität erleben! Unglaublich stark, wie Emetropia diesen Song „neu erfunden“ haben. Bei der Auswahl der vier Stücke haben sich die Schweden auch ein klein wenig daran orientiert, welche Lieder bei den Fans am besten ankommen. Umso mehr freut es mich, dass da auch „The Old Gods“ (Original-Titel) dazu gehört, das hier nun als „The Old Gods – Requiem“ zu hören ist. Die ursprüngliche Symphonic Metal Version gehört sicher zu den stärksten und kraftvollsten ihrer Art und brilliert mit einer ganz herausragenden orchestralen Begleitung. Es gibt viel Drama, ein bisschen Pomp und auch eine finstere Grundstimmung, passend zum Teil der Geschichte von „Equinox“. „The Old Gods – Requiem“ ist da nun eigentlich das krasse Gegenstück dazu. Das Lied kommt als wundervolle, melancholische Ballade rüber, mit extrem viel emotionalem Tiefgang. Düster ist es dennoch aber es hat auch eine getragene Wirkung, fast ein bisschen majestätisch beim Refrain. Kein anderes Stück bringt den brillanten Gesang von Lisa Wallenberg derart intensiv zum Vorschein, wie dieses. Es gibt keinen Bombast, keine voluminöse instrumentale Power, das ist in erster Linie Lisa und ihre wunderschöne Stimme. Als Begleitung gibt es im Wesentlichen „nur“ Liam Strand‘s tolles und sehr ausdrucksstarkes Keyboard-Spiel. Zum Chorus kommen dann aber dennoch ein paar klassische Arrangements dazu, vorwiegend Streichinstrumente, die dann auch bei dieser Version, für einen kleinen Hauch von Opulenz und Dramatik sorgen aber alles in sehr dezentem Rahmen. Zu „The Old Gods – Requiem“ gibt es übrigens auch schon ein Video, das Emetropia pünktlich zum ersten Jahrestag von „Equinox“ veröffentlicht haben. „Shifting Seasons“ (Original-Titel „Seasonal Warfare“) bildet dann den Abschluss dieser bemerkenswerten EP. Trotz des akustischen Sound-Gewandes, ist die Nummer recht flott ausgefallen. Es kommt sogar ein bisschen 70er-Jahre Rock Nostalgie auf, wenn Liam Strand sein Keyboard als Hammond Orgel verwendet. Überhaupt ist dieses Stück instrumental sehr facettenreich geworden. Jonatan Jakobsson und Olle Renius haben viel Spielraum, die Saiten ihrer Akustik-Gitarren glühen zu lassen und auch Oscar Heikkinen begeistert mit seinem sehr variablen und punktgenauen Schlagzeugspiel. Lisa Wallenberg meistert auch die letzte Herausforderung dieser akustischen Reise mit all ihrer stimmlichen Brillanz und Emotionalität. Sie verleiht diesem Song eine komplett andere Färbung wie beim Original. Auch Liam Strand steuert neben den Backings, ein paar Lead-Vocals bei, was es so in der Metal-Version nicht gibt. Im Mittelteil kommt dann zusätzlich noch kurz ein Akkordeon zum Einsatz und man fühlt sich stimmungsmäßig, für einen ganz kleinen Moment, an eine englische Hafenkneipe erinnert. Es ist wirklich unglaublich, was man aus so einem Symphonic Metal Song machen kann. Einfach nur genial!

Emetropia haben haben mit „An Acoustic Endeavor“ einmal mehr bewiesen, was sie für außergewöhnlich begabte Musiker sind und vor allem, was für ein feines Gespür sie haben, Songs zu erschaffen, zu gestalten und zu performen. Sicherlich sind diese Stücke für einen reinen Metal-Fan etwas gewöhnungsbedürftig aber speziell Symphonic Metal Fans, haben meiner Erfahrung nach, ein ziemlich gutes Musikverständnis. Sie werden die Genialität die bei diesen Akustik-Songs dahinter steht, schnell erkennen und zu schätzen wissen. Bei dem Song „A Gentle Breeze“ oder „A Summer Breeze“, wie immer ihr wollt, gibt es die schöne Text-Passage „…The Very Essence Of All Things…“. Natürlich ist das hier komplett aus dem Kontext gerissen, ich finde aber dennoch, es beschreibt „An Acoustic Endeavor“ ganz gut. Es werden große musikalische Werke, auf eine grundlegende, instrumental deutlich reduzierte Basis zurückgesetzt und trotzdem funktionieren sie ganz hervorragend. Ich ziehe ein weiteres Mal meinen Hut vor der großen Schaffenskunst von Emetropia! Herzlichen Glückwunsch an Lisa Wallenberg, Liam Strand, Olle Renius, Jonatan Jakobsson und Oscar Heikkinen. Das ist wirklich ein großes Hörvergnügen und somit auch locker die volle Punktzahl wert! Release Day ist der 24.03.2023!!

Band

Lisa Wallenberg (Gesang)
Liam Strand (Keyboard, Orchestrierung, Gesang)
Olle Renius (Gitarre)
Jonatan Jakobsson (Gitarre)
Oscar Heikkinen (Schlagzeug)

Titel

  1. A Gentle Breeze
  2. The First Flower Blooms
  3. The Old Gods – Requiem
  4. Shifting Seasons
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