Kamelot haben in ihrer über 30-jährigen Bandgeschichte, schon so manches Highlight veröffentlicht. Mit ihrem 13. Album „The Awakening“, ist ihnen nun ihr Meisterstück gelungen. Das neue Album ist in allen Belangen noch größer, gewaltiger, opulenter und vielseitiger geworden. Ein wahrer Hochgenuss für alle Fans von progressiv akzentuiertem Symphonic-/Power Metal. 10/10

Kamelot gibt es nun in dieser Form und Schreibweise seit 1991 (von 1987-1991 noch Camelot), gegründet von Saitenvirtuose Thomas Youngblood und dem früheren Schlagzeuger Richard Warner, der aber nur 10 Jahre bei Kamelot blieb. 1995 veröffentlichte die, in den USA basierte Truppe, ihr Debüt „Eternity“, der Beginn einer langen und über die Jahre, sehr erfolgreichen Laufbahn. In den Jahren 2011 bzw. 2012 gab es einen großen Einschnitt in der Band-Historie. Der sehr beliebte norwegische Ur-Sänger Roy Khan (Conception) verließ Kamelot damals, aus gesundheitlichen Gründen. „Live“ wurde er schon eine ganze Weile, von Fabio Lione vertreten/ersetzt. Mitte 2012 übernahm der mittlerweile in Kanada beheimatete Schwede Tommy Karevik (auch Seventh Wonder) den vakanten Posten als Frontmann. Wie das bei Wechseln am Mikro fast immer der Fall ist, kam bei den Fans zunächst natürlich ein wenig Skepsis auf. Das noch im selben Jahr veröffentlichte Album „Silverthorn“ überzeugte die Fangemeinde aber schnell und mit den nachfolgenden Hit-Alben „Haven“ (2015) und „The Shadow Theory“ (2018) konnte sich Tommy Karevik mühelos etablieren und ist nun schon seit vielen Jahren, nicht mehr aus dem Bandgefüge von Kamelot weg zu denken. Der charismatische Sänger, mit der so unglaublich vielseitigen und gefühlvollen Stimme, ist sicher zu den aller stärksten im gesamten Genre zu zählen. Zahllose fantastische Live-Auftritte untermauern dies eindrucksvoll und selbst aus der „Konserve“, wie bei dem genialen 2020er Live-Album „I Am The Empire“, reicht es noch für so manchen Gänsehaut-Moment. Kommen wir zum Rest der Belegschaft. US-Basser Sean Tibbetts war zu Gründungszeiten schon mal kurz mit an Bord. Nach langjähriger Pause kehrte er dann 2009 zu Kamelot zurück. Auch schon annähernd zwei Jahrzehnte dabei, ist der deutsche Oliver Palotai, der für Piano, Keys und Orchester-Arrangements zuständig ist. Das neueste Bandmitglied ist der ebenfalls aus deutschen Landen stammende Drummer Alex Landenburg (u.a. Cyhra), der seit 2019 in die Felle haut. Kamelot haben auf ihren Alben schon eine große Zahl an illustren Gästen begrüßt. Auch „The Awakening“ macht da keine Ausnahme. Es ist das „halbe“ Avantasia – (Live) Ensemble vertreten. Allen voran Sascha Paeth, der neben ein paar ergänzenden Gitarren, auch noch an der Produktion beteiligt war. Dazu kommen mit Backing-Vocals Oliver Hartmann, Herbie Langhans und Ina Morgan. Weitere Gäste sind die weltweit bekannte Cellistin Tina Guo und der Violinist Florian Janoske (Versengold). Natürlich gibt es auch ein paar namhafte Lead-Sängerinnen zu bewundern, die ihre großen Talente hier mit einbringen. Zum einen wäre da Tommy Karevik’s Ehefrau Kobra Paige (Kobra And The Lotus) zu nennen, zum anderen die beiden europäischen Symphonic Metal Queens Simone Simons (Epica) und Melissa Bonny (Ad Infinitum). Letztere ist derzeit auch auf der Europa-Tour von Kamelot mit dabei und hat ganz aktuell mit ihrer eigenen Band, ein neues Hammer-Album („Chapter III – Downfall“) veröffentlicht! Ihr seht also, Kamelot haben für ihr neuestes Opus keinerlei Kosten und Mühen gescheut, um aus „The Awakening“ ein echtes Meisterstück zu machen. Es ist fast unnötig zu erwähnen, dass den letzten Schliff mit Mix und Master, der unerreichte Jacob Hansen durchgeführt hat. Das beeindruckende Cover-Design stammt aus der Hand von Giannis Nakos, veröffentlich wurde „The Awakening“ über Napalm Records. Aufmerksamen Lesern und langjährigen Fans, ist natürlich nicht entgangen, dass seit dem aktuellen und dem vorangegangen Album 5 Jahre vergangen sind. Nun, zum einen waren Kamelot mit „The Shadow Theory“ sehr lange auf Tour, es wurde dann ja auch noch die angesprochene Live-Scheibe nebst DVD/Bluray veröffentlicht. Und die Corona-Pandemie kam ja dann auch noch und hat so manches Vorhaben ausgebremst und in die Länge gezogen. Die Pause hat Kamelot aber auch die Möglichkeit geboten, sich gemeinsam sehr intensiv ums Songwriting zu kümmern und zu den ohnehin schon sehr opulenten und sehr facettenreichen Stücken, eine ganze Reihe sehr gewaltiger Orchester-Arrangements zu erschaffen. Somit gibt es nicht nur eine Vielzahl sehr abwechslungsreicher, ideenreich komponierter und sehr eingängiger Lieder zu bewundern, sie erscheinen auch allesamt, in einem bombastischen Soundgewand.

Genau diesen Eindruck erweckt dann auch direkt schon das Intro („Overture“), das im dramatisch anmutenden Stil, von klassischen Arrangements geprägt, irgendwo zwischen Oper und Blockbuster-Filmmusik zu Hause ist. Mit derselben Opulenz ist auch das nachfolgende „The Great Divide“ ausgestattet. Kamelot fahren hier gleich mal das ganz große Sound-Kino auf. Instrumental gibt es sofort die volle Power zu spüren. Mitreißend, geniale Melodieführung, progressive Akzente, voluminöse Orchestrierung und dazu der unglaublich charismatische und gefühlvolle Gesang von Tommy Karevik. Insgesamt ein typischer Kamelot Song, der aber mit einer beeindruckenden Größe aufwartet. Eine neue Band-Hymne ist geboren! „Eventide“ ist etwas rhythmischer angelegt, kommt teilweise fast ein bisschen wuchtig rüber. Schöne Passagen mit Streichinstrumenten und Piano gehören hier aber zum Gesamtbild auch dazu. Brillante Arbeit von Oliver Palotai. Auch Thomas Youngblood kann sich mit herausragender Gitarrenarbeit in den Vordergrund spielen. Ein vielseitiges Stück mit Hit-Potenzial und einer sehr emotionalen und intensiven Gesangsdarbietung. „One More Flag In The Ground“ überzeugt ebenfalls auf ganzer Linie. Ein echtes Energiebündel, bei der die Kraft der Rhythm-Section um Sean Tibbetts und Alex Landenburg, hervorragend zum Zug kommt. Der lyrische Inhalt ist eher etwas dunkel und nachdenklich. Es geht dabei um den Umgang mit einer schweren Krankheit und deren Überwindung. Durchaus zeitgemäß, mit einigem Interpretationsspielraum. Tommy Karevik legt, trotz aller Energetik die das Stück erfordert, dennoch viel Gefühl in seine Stimme und auch seine Ehefrau Kobra Paige kommt hier mit ein paar sehr coolen, fast etwas irre wirkenden, opernhaften Backing-Vocals zum Einsatz. Das gibt dem Song viel Ausstrahlung. Der ausdrucksstarke Refrain macht die Nummer außerdem, zum perfekten Live-Track. „Opus Of The Night (Ghost Requiem)“ liefert musikalisch genau das, was der Titel schon suggeriert. Ein bisschen mystisch, ein wenig dramatisch aber auch gewaltig, kraftvoll, rasant und opulent. Oliver Palotai glänzt einmal mehr, mit sensationellen klassischen Arrangements. Gastmusikerin Tina Guo sorgt mit brillanten Cello-Einlagen für viel Authentizität, im Besonderen mit einem herausragenden Solo. Neben einer weiteren stimmlichen Ausnahmeleistung von Tommy Karevik, ist es hier auch die instrumentale Vielseitigkeit, die das Lied so unterhaltsam macht. Sowohl die Riffs und Lead-Gitarre von Thomas Youngblood, also auch die facettenreiche Arbeit von Sean Tibbetts und Alex Landenburg an Bass und Schlagzeug, begeistert hier in aller höchstem Maß. Der Song geht sanft, mit Piano-Begleitung zu Ende. Dies ist auch gleichzeitig eine gute Überleitung zu „Midsummer’s Eve“, einer wundervollen, sehr intensiven Ballade, mit leicht nordischen Nuancen. Das Stück wirkt recht schwer und ist von Melancholie geprägt. Schöne Klänge vom Piano geben Oliver Palotai Gelegenheit sich in Szene zu setzen. Auch Tina Guo kommt wieder zum Einsatz, mit wunderbarem Cello-Spiel und Solo. Ihr zur Seite steht dabei Violinist Florian Janoske, der gleichermaßen brilliert. Tommy Karevik legt all seine Emotionalität und Ausstrahlung in die Stimme und sorgt somit, für eine wahre Flut an Gänsehaut-Momenten. „Bloodmoon“ ist da aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. Es regiert wieder der Power Metal, natürlich mit vielen progressiven und sinfonischen Akzenten verfeinert. Thomas Youngblood begeistert mit einer sehr filigran gespielten Lead-Gitarre. Der Vers-Teil kommt sehr wuchtig rüber, mit satter Riff-Arbeit des US-Amerikaners. Die Dramaturgie ist hervorragend umgesetzt, der Chorus ist sehr eingängig und mit der Harmonie der klassischen Arrangements, kommt durchaus eine gewisse majestätische Wirkung zum Vorschein. Einer meiner absoluten Lieblinge ist „NightSky“. Ein druckvoller, ziemlich flotter Melodic Metal Hit, der aber auch mit einem ordentlichen Klangvolumen ums Eck kommt. Starker Aufbau, mitreißende Instrumentierung, im Gegensatz dazu, eine etwas zurückhaltende Vocal-Performance aber all das nur, um beim Monster-Refrain, die volle epische Größe zu offenbaren. Zudem haben wir es hier mit einem echten Ohrwurm zu tun, der einen sehr lange verfolgen kann. Wirklich eine ganz brillante Melodieführung und eine unglaublich gute Performance des schwedischen Sängers. „The Looking Glass“ stellt zu Beginn Oliver Palotai mit seinem Keyboard und Drummer Alex Landenburg etwas in den Mittelpunkt. Thomas Youngblood treibt das Stück dann mit kraftvoll gespieltem Riff an. Es wird immer wieder gut mit dem Tempo gearbeitet, was den Spannungsbogen straff hält. Das Lied zielt gut auf den Chorus hin, der den Zuhörer sehr gut mit zu reißen versteht. Stark ist auch der Solo-Part im Mittelteil, wo zunächst Oliver und dann Thomas sich austoben. Zum Ausklang nimmt die Nummer dann nochmal so richtig Fahrt auf. Damit sind wir dann bei dem Prunkstück des Albums angelangt. „New Babylon“ ist eine lupenreine Symphonic Metal Hymne der aller stärksten Sorte. Dagegen sehen sogar Nightwish ein bisschen blass aus. Die gewaltigen Chöre und Orchester-Parts erinnern ein klein wenig an das aktuelle Epos von Xandria. Der Bombast und die Energie sind wirklich unfassbar stark. Nachdem opulenten Auftakt ist der Vers-Teil ein wenig ruhiger gehalten, natürlich alles im Sinne eines eindrucksvollen Spannungsaufbaus, der nach einem super Übergang, in einem phänomenalen Refrain, seinen Höhepunkt findet. Die instrumentale Power die dem Lied zugrunde liegt, ist natürlich die Grundessenz aber die punktuellen Highlights, werden hier von Tommy Karevik’s Gesangspartnerinnen gesetzt. Simone Simons und Melissa Bonny spielen beide tragende Rollen mit Backings, Chor und Lead-Gesang. Melissa glänzt zudem, mit ein paar finsteren Growls, in ihrem unnachahmlichen Stil. Nach so viel Power und Klangvolumen, gibt es nun eine kleine Phase der Ruhe. Mit „Willow“ folgt die zweite Ballade des Albums, die man aber ebenfalls, zu den ganz großen Momenten auf „The Awakening“ zählen darf. Schöne Piano-Einleitung, dazu dann ein paar Streichinstrumente und nachfolgend, weitere Orchester-Arrangements. Ja, Oliver Palotai ist hier wieder voll in seinem Element, mit all seiner musikalischen Stärke und Versiertheit. Tommy Karevik ist stimmlich einfach fantastisch. Sehr sanft, unglaublich gefühlvoll, dennoch mit viel Kraft, Volumen und Charisma. Im Verlauf des Stückes kommen auch verstärkt die restlichen Instrumente immer wieder mit dazu und es wird eine große Tiefe und Intensität erreicht. Als Auflockerung gibt es auch hier wieder, ein schönes Solo von Thomas Youngblood zu genießen. Bei „My Pantheon (Forevermore)“ geht es dann zunächst auch im ruhigeren Fahrwasser weiter, erneut machen schöne Piano-Klänge den Anfang. Es folgt als bald aber ein recht rustikaler Übergang und gibt dem Lied eine scharfe Wendung. Sean Tibbetts und Alex Landenburg treiben den Song voran. Zusammen mit den Riffs von Thomas Youngblood wirkt das stellenweise fast ein bisschen wild und recht modern, vermittelt aber ebenso viel Kraft und hebt das Energielevel sehr hoch. Ein paar eingestreute ruhigere Sequenzen sorgen immer wieder für einen neuerlichen Spannungsaufbau. Zusätzlich gibt es nochmal ein ganz herausragendes Gitarren-Solo zuhören. Eine fast epische Vocal-Bridge leitet dann über zu einem kraftvollen Ausklang. Tommy Karevik noch einmal in absoluter Bestform. Das Outro („Ephemera“) ist instrumental gehalten und gibt Oliver Palotai eine weitere Möglichkeit seine vielseitigen Künste zu zeigen. Egal ob Piano, Keyboard, Orchester-Parts, es ist alles vertreten. Mit einer unglaublichen, klanglichen Größe und Brillanz, schließt sich der Kreis zum Beginn des Albums und offenbart ein weiteres Soundgewitter zwischen Filmmusik und Operette.

Die „13“ ist für Kamelot ganz sicher keine Unglückszahl. „The Awakening“, sprich, das dreizehnte Album des US-amerikanisch/schwedisch/deutschen Quintetts, ist zweifelsfrei der bisherige, musikalische Höhepunkt, in der langen Vita dieser großartigen Band. Auch die Anzahl der Stücke (13) wurde sicher mit Bedacht gewählt. Ein Meisterwerk dieser Größe veröffentlicht man nicht jeden Tag. Dennoch bin ich sicher, dass „The Awakening“, für Kamelot der Beginn einer neuen Ära ist, mit noch vielen herausragenden Alben in den kommenden Jahren. Herzlichen Glückwunsch an die Musiker von Kamelot, ihre Gäste, die Produzenten und das ganze Team im Hintergrund, zu einer phänomenalen Scheibe!

Band

Tommy Karevik (Gesang)
Thomas Youngblood (Gitarre)
Sean Tibbetts (Bass)
Alex Landenburg (Schlagzeug)
Oliver Palotai (Piano, Keyboard, Orchester-Arrangements)

Gäste (in Auszügen)

Simone Simons (Gesang)
Melissa Bonny (Gesang)
Kobra Paige (Gesang)
Sascha Paeth (Gitarre, Backing-Vocals)
Tina Guo (Cello)
Florian Janoske (Violine)

Titel

  1. Overture (Intro)
  2. The Great Divide
  3. Eventide
  4. One More Flag In The Ground
  5. Opus Of The Night (Ghost Requiem)
  6. Midsummer’s Eve
  7. Bloodmoon
  8. NightSky
  9. The Looking Glass
  10. New Babylon
  11. Willow
  12. My Pantheon (Forevermore)
  13. Ephemera (Outro)
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