Die niederländische Symphonic Metal Band Delain, ist zurück mit einem grandiosen neuen Album. „Dark Waters“ ist dabei nicht nur der Beginn einer neuen Ära, es ist auch gleichzeitig ein Meilenstein in der gut 20-jährigen Geschichte der Band. 9,5/10

Jeden Symphonic Metal Fan wird das wohl freuen. Delain sind nach 2 Jahren wieder zurück und das mit einem gewaltigen Epos namens „Dark Waters“. Aber vielleicht fang ich doch erst mal ein kleines bisschen früher an. Delain wurden 2002 von Keyboarder und Songwriter Martijn Westerholt gegründet, nicht lange nachdem er aus gesundheitlichen Gründen seinen Posten bei Within Temptation aufgegeben hatte. Es folgten ein paar Jahre mit intensivem Songwriting und Demos erstellen, ehe dann 2006 das vielumjubelte Debüt-Album „Lucidity“ veröffentlicht werden konnte, unter anderem mit Marko Hietala (ex-Nightwish) als Gast, wie so häufig in all den Jahren. Einer der Gitarristen war damals übrigens Jan Yrlund (Imperia), der für „Dark Waters“ wieder das Cover-Artwork mitdesigned hat. Es folgten viele erfolgreiche Alben, wie beispielsweise „April Rain“, „Moonbathers“ oder das Chart prämierte letzte Werk „Apocalypse & Chill, um nur ein paar zu nennen. Es gab viele Tourneen, oft mit ausverkauften Hallen, dazu so manchen gefeierten Festival-Auftritt. Die prägende Figur in all den Jahren, war Sängerin Charlotte Wessels, die mit ihrer wunderbaren und so vielseitigen Stimme, mehr als 15 Jahre die sympathische und charismatische Frontlady bei Delain gewesen ist. Mitte Februar 2021, also exakt vor 2 Jahren, gab es dann die offizielle Mitteilung, dass man so, als Band nicht mehr weitermachen würde. Der Split sorgte für viel Unruhe im Genre, musikalische Differenzen und unterschiedliche Ideen für die Zukunftsplanung wurden immer wieder genannt. Grundsätzlich hat Mastermind Martijn Westerholt, der als einziger übrig blieb, nicht unbedingt im Sinn gehabt, seine Band komplett zu beerdigen, es ging nur eben so nicht mehr weiter. Er wollte wieder zu den Anfängen zurückkehren, als Delain eigentlich „nur“ als Projekt geplant war, auch durchaus mit wechselnden Musikern. Die ersten Schritte in diese Richtung folgten, in dem aus der Uralt-Besetzung, Schlagzeuger Sander Zoer und Gitarrist Ronald Landa zurückkehrten. Auch Bassist Rob van der Loo kehrte als Gast vorübergehend zurück und spielte einen Großteil der Bässe für „Dark Waters“ ein. Als neues dauerhaftes, festes Bandmitglied, wurde dafür dann aber im Mai 2022 Ludovico Cioffi verpflichtet, der auch noch ein paar Bass-Spuren fürs Album beigetragen hat und zusätzlich ein paar Growls eingesungen hat. Der Plan Delain als Projekt zu führen, hat sich dann nach und nach in Luft aufgelöst und nachdem das Songwriting für „Dark Waters“ schon frühzeitig konkrete Formen angenommen hat, brauchte es natürlich noch eine neue Sängerin, die dauerhaft in die großen Fußstapfen von Charlotte Wessels zu steigen vermag. Eine bis dahin weitestgehend unbekannte aber hochtalentierte und sehr vielseitig ausgebildete junge Dame bekundete dann Interesse an dem Posten. Nach kurzer, offensichtlich sehr überzeugender Demo-Phase, bekam dann Diana Leah den anspruchsvollen Job als neue Sängerin, die man zusammen mit Ambre Vourvahis (Xandria), als die neuen Stars im Symphonic Metal Genre feiern darf. Diana Leah hat rumänische Wurzeln, lebt aber mit kurzen Unterbrechungen, schon seit vielen Jahren in Italien. Sie hat bereits im Kindesalter angefangen zu singen und nachdem klar war, dass die Musik ihre Passion fürs Leben ist, ging auch ihre umfangreiche Ausbildung in verschiedenen Gesangsstilen, genau in diese Richtung. Schon früh hatte sie einen großen Faible für Rock und Metal entwickelt. Diana Leah hat aber einen sehr weitgestreuten Musikgeschmack und so war sie in den letzen Jahren eher in der elektronischen Pop- und vor allem in der Trance-Musik aktiv. Sie hat wohl durchaus auch ein gewisses Songwriter-Talent und hat sich damit direkt ein bisschen mit eingebracht, sowohl bei der Musik, wie mit ein paar Lyrics für das neue Delain Album. Den wesentlichen Teil des Songwritings hat aber natürlich Martijn Westerholt bewerkstelligt, zusammen mit Band-Intimus Guus Eikens. Den Großteil der Lyrics hat Robin La Joy verfasst, ebenfalls ein enger Vertrauter. „Dark Waters“ begeistert in hohem Maß mit grandiosen, sehr opulenten Orchester-Arrangements. Den Hauptteil davon hat Mikko P. Mustonen zu verantworten und damit einen sensationellen Job gemacht. Produziert hat das Album Martijn Westerholt höchst selbst, den Mix haben Jacob Hansen und Andrea Fusini durchgeführt. Gemastert wurde „Dark Waters“ von Svante Forsback. Delain sind nun schon seit 2013 bei Napalm Records und so wird natürlich auch das neue Meisterwerk, quasi zum 10 jährigen Vertrags-Jubiläum, wieder über die österreichische Plattenfirma veröffentlicht. Musikalisch hat „Dark Waters“ eine ganze Menge zu bieten. Ich für meinen Teil, würde das neue Werk sogar an die Spitze der bisherigen Schaffenskunst stellen. Delain haben über all die Jahre, sehr viele Einflüsse in ihre Songs einfließen lassen, auch durchaus mal ein paar modernere, fast schon sperrige, wenn nicht sogar experimentellere Stücke dabei gehabt, die vor allem in der jüngeren Vergangenheit zu finden waren. „Dark Waters“ wirkt nach meinem Empfinden deutlich traditioneller und gradliniger, trotz all der Orchestrierung und der facettenreichen Songstrukturen. Das ist reiner und purer Symphonic Metal, mit nur gelegentlichen Ausflügen in den Dark Metal oder Gothic und mit nur wenigen Elementen aus dem Modern Metal. Diese musikalische Ausrichtung kommt meinem persönlichen Musikgeschmack sehr entgegen und sorgt ein ums andere Mal, für aller größten Hörspaß. Delain haben ein großes Augenmerk darauf gelegt, eine gute Balance zwischen der harten Metal Instrumentierung, den gewaltigen Orchester Parts und den voluminösen Chören zu finden. Dies ist mit Bravour gelungen. Die Melodiebögen, sowohl instrumental, als auch gesanglich, gehen wunderbar ins Ohr, die Refrains setzen sich nachhaltig in den Gehörgängen fest. Das ist auch vordergründig, natürlich der sensationellen Performance von Neu-Fronterin Diana Leah zu verdanken, die es tatsächlich geschafft hat, eine ebenbürtige Nachfolgerin für die große Charlotte Wessels zu werden. Schauen wir uns also nun die großartigen neuen Stücke an, die „Dark Waters“ für uns bereit hält.

Zum Einstieg von „Hideaway Paradise“ gibt es schwere, etwas düstere Keyboard- und Synths-Klänge, mit fast schon sphärischem Erscheinungsbild, ehe ein starker Übergang, den Metal in den Mittelpunkt rückt. Instrumental ist das gleich vom Opener weg, sehr vielseitig dargeboten, auch Diana Leah gibt einen grandiosen Einstand und veredelt das Stück mit ihrer wunderbaren Stimme. Der Refrain weist ein paar Delain typische Klangmuster auf, womit auch der eine oder andere skeptische Zuhörer, schnell überzeugt sein dürfte. Mit „The Quest And The Curse“ wurde letztes Jahr im August, nicht nur Diana vorgestellt, sondern auch der Rest der aktuellen Mannschaft, inklusive dem ersten neuen Lied, nebst Video. Die Nummer ist rifflastig und ziemlich wuchtig, somit sind hier Drummer Sander Zoer, Bassist Ludovico Cioffi (respektive Gast Rob van der Loo) und Ronald Landa ganz besonders im Fokus. Ludovico und Ronald werden zudem auch noch mit ein paar Growls auffällig, was sich hier sehr gut ins Gesamtbild einfügt. Diana Leah gibt sich sehr wandlungsfähig, von sanft, über kraftvoll, bis hin zu einem kleinen Ausflug in klassische Gefilde. Das Stück verlangt der gebürtigen Rumänin alles ab. Ein sehr anspruchsvolles Lied. Die orchestralen Arrangements sind ganz brillant komponiert, da kann sich Martijn Westerholt selbst auf die Schulter klopfen. Großartig gemacht und von Mikko P. Mustonen genial arrangiert. „Beneath“ kommt in schwerem Soundgewand daher. Hier sind dann auch klare Einflüsse aus dem Gothic und Dark Metal Bereich zu erkennen. Trotz der Dunkelheit und Schwere, hat das Stück eine schöne Grundstimmung, die auch mittels der toll gespielten Keys von Martijn Westerholt erzeugt wird. Natürlich gibt es auch hier eine kraftvolle Gitarren-Wand als ständigen Begleiter, auch ein paar dezent progressive Elemente kommen zwischendrin mal zum Vorschein. Stimmlich ist dies eine weitere Meisterleistung von Diana Leah, der hier als Background-Sänger, Paolo Ribaldini (Skiltron, Seraphiel) zur Seite steht. Der Italiener mit der tollen Stimme, ist auch noch bei zwei weiteren Stücken zu hören, dazu dann später mehr. „Mirror Of Nights“ wird von sehr feinen Keyboard-Klängen eröffnet. Getragene, opulente Chöre kommen dazu, ehe dann auch Sander Zoer und Ronald Landa ins Geschehen eingreifen. Zudem ist hier auch noch Gast-Gitarrist Ruud Jolie (Within Temptation) zu hören. Das Lied verfügt über eine schöne Dramaturgie. Nach sanfterem Vers-Teil, folgt eine deutliche Intensivierung hin zum erhabenen Chorus, der düster aber auch episch wirkt. Starke Backing-Chöre sorgen immer wieder für viel stimmliches Volumen. „Tainted Hearts“ startet sehr kraftvoll, dazu kommt noch die brillant gespielte Lead-Gitarre von Ronald Landa. Mit satten klassischen Chören und großartigen Arrangements wird ein ordentlicher Bombast erreicht. Die harte metallische Instrumentierung sorgt für ein gutes Gleichgewicht. Die sehr variable Tempogestaltung bietet Abwechslung und fördert die Spannung. Vor allem der instrumentale Mittelteil ist ein sehr gutes Beispiel, wie ideenreich und kreativ Martijn Westerholt beim Komponieren gewesen ist. Für mich, ein ganz großes Highlight auf dem Album. Viel Dramatik gibt es bei „The Cold“. Im Besonderen die üppigen Streicher-Passagen geben dem Song eine sinfonische Größe, die durchaus beeindruckend ist. Dann nimmt man noch die gewaltigen Chöre mit dazu und die kraftvollen Gitarren-Riffs. Das vermittelt schon ein sehr opulentes Klangerlebnis. Die Nummer geht zudem, ziemlich rasant vorwärts, da gibt Sander Zoer immer wieder ordentlich Gas. Zu all der instrumentalen Wucht, steht die wundervolle stimmliche Darbietung von Diana Leah fast ein bisschen im Gegensatz. Es gelingt ihr aber hervorragend, mit sanfter, mitunter sogar zuckersüßer Stimme, dennoch locker die Oberhand zu behalten und sowohl die wunderschöne Vers-Passage, als auch den starken Refrain, zu einem echten Höhepunkt zu machen. Das Stück ist ein richtiges Symphonic Metal Schwergewicht! Die Sache mit den Gegensätzen setzt sich bei „Moth To A Flame“ fort, nimmt sogar noch deutlichere Formen an. Für mich persönlich, der mega Hit des Albums. Diana Leah startet a cappella mit dem Refrain, ein Stilmittel, das ich sehr schätze. Die Melodieführung ist ein Mix aus Pop-Musik und 80er AOR. Dazu kommt dann eine instrumentale Seite, die druckvoll, rasant, mit wildem und durchaus modernem Riffing ist. Martijn Westerholt packt noch ein paar Keys und Synths dazu. Das ist schon eine ziemlich coole Mischung, von eigentlichen Widersprüchen, die aber dennoch perfekt funktionieren und eine absolut mitreißende Wirkung haben. Speziell der Chorus hat zudem, ein extrem hohes Suchtpotenzial und ist zweifelsfrei ein ganz fieser Ohrwurm, der nicht wieder los zu werden ist. Was sagt uns das? Der Komponist bzw. die Komponistin, haben alles richtig gemacht! Bei „Queen Of Shadow“, der neuesten Single, steht nun die orchestrale Größe wieder mehr im Blickpunkt. Schöne Streicher aber auch genauso viel Metal Power, geben dem Song viel Energie und Ausstrahlung. Die rifflastige, sehr abwechslungsreiche Nummer ist ein weiteres ganz großes Highlight des Albums. Hier auch wieder mit Gastsänger Paolo Ribaldini, der mit einigen Lead-Vocals, einen tollen Duett-Partner für Diana Leah abgibt. Das Prunkstück und sicher auch das facettenreichste Lied auf „Dark Waters“, ist zweifelsfrei „Invictus“. Zu Beginn gibt es gleich mal eine gewaltige stimmliche Präsenz, auch mit sehr opulentem Chor. Das Orchester liefert eine prägnante Melodie, die sich im Verlauf immer wieder zeigt. Die Instrumentalisten haben alle Hände voll zu tun, um sich gegen dieses klassische Klangvolumen zu behaupten aber es gelingt ganz hervorragend und die Balance wird immer erreicht. Es gibt sehr viel Tempo- aber auch Stimmungs-Wechsel, was den Song sehr spannend und interessant macht. Tolle Übergänge und so manche epische Passage sind weitere Merkmale dieser grandiosen Nummer. Zusätzliche Highlights liefern die beiden Gastsänger Paolo Ribaldini und Marco Hietala, der auch bei „Dark Waters“ wieder mit dabei ist. Wenn man ihn so hört, kommt durchaus ein wenig Wehmut an alte Nightwish-Zeiten auf. Was bei diesem Stück besonders eindrucksvoll gemacht ist, sind die Backing-Vocals von Paolo Ribaldini, mit denen teilweise sogar separate Textpassagen gesungen werden. Zum Ende hin kommt er damit in den Vordergrund, um einen epischen Abschluss einzuleiten, der gesanglich/stilistisch fast schon ein wenig an Savatage erinnert. „Underland“ bildet den regulären Schlusspunkt des Albums. Martijn Westerholt demonstriert hier nochmal seine Fähigkeiten am Keyboard in ganz herausragender Weise. Sander Zoer gibt druckvoll den Kurs vor und Ronald Landa liefert eine ganz starke Lead-Gitarre aber auch so manches gutes Riff. Es wird sehr viel Energie erzeugt, auch durch die wieder mal ganz famose Orchestrierung und die großartigen Chöre. Wer mal genau hinhört, wird vielleicht auch bemerken, dass die Melodieführung der klassischen Elemente, in leicht abgewandelter Form, das Grundthema des vorherigen Songs, immer mal wieder einfängt. Das Lied steckt voller Überraschungen und zeigt sich sehr vielseitig, mit einer tollen Dramaturgie. Diana Leah holt auch nochmal alles aus sich heraus und macht das Stück zu einem ganz großen Hit. Sehr stark ist übrigens auch eine kurze Sequenz im letzten Drittel, mit einem genialen Riff, bei dem sogar Metallica blass werden würden. Als Bonus-Track gibt es bei der digitalen und der Digi-Pack Version, noch eine Piano-Version von „The Quest And The Curse“ zu hören. Dies darf dann auch gerne als Ersatz für eine „echte“ Ballade gesehen werden. Diese Variante vermittelt eine komplett andere Stimmung, als die reguläre Fassung. Zur Begleitung gibt es vorwiegend Piano und die klassische Orchestrierung. Die wundervolle Stimme von Diana Leah steht natürlich ganz klar im Vordergrund und es wird vielleicht sogar noch deutlicher, wie herausfordernd dieses Lied ist. Das ist einfach brillant dargeboten, mit sehr viel Emotionalität und einer unglaublichen Ausdruckskraft. Da kann sich durchaus auch mal ein bisschen Gänsehaut bemerkbar machen.

Eines kann man sicher festhalten. Delain sind nach ihrer Trennung und der Neuformierung, ganz klar wieder in der Spur und bereit für die ganz großen Aufgaben. Mit „Dark Waters“ behalten Delain weiterhin ihren Platz in der Spitzengruppe der Symphonic Metal Szene. Die stilistischen Anpassungen, das höchst kreative Songwriting und die deutlich gewaltigeren Orchestrierungen, machen dieses Album zu einem der absoluten Genre-Highlights des Jahres. Ich kann Delain zu diesem Meisterwerk nur gratulieren! Ein wirklich geniales neues Epos! Wie viele von euch sicher wissen, haben sich auch Xandria unlängst wieder zurück gemeldet, mit neuer Mannschaft und neuem mega Album. Die logische Konsequenz ist nun eine gemeinsame Europa-Tour dieser beiden wieder erstarkten Symphonic Metal Heroen. Stattfinden wird das denkwürdige Konzertereignis zwischen Mitte April und Anfang Mai! Also Leute, auf zum nächsten Ticket-Shop!

Band

Diana Leah (Gesang)
Martijn Westerholt (Keyboard)
Ronald Landa (Gitarre, Growls)
Ludovico Cioffi (Bass, Growls)
Sander Zoer (Schlagzeug)

Gäste

Paolo Ribaldini (Gesang Track 3,8,9)
Marco Hietala (Gesang Track 9)
Ruud Jolie (Gitarre Track 4)
Rob van der Loo (Bass)

Titel

  1. Hideaway Paradise
  2. The Quest And The Curse
  3. Beneath (feat. Paolo Ribaldini)
  4. Mirror Of Night
  5. Tainted Hearts
  6. The Cold
  7. Moth To A Flame
  8. Queen Of Shadow (feat. Paolo Ribaldini)
  9. Invictus (feat. Marco Hietala & Paolo Ribaldini)
  10. Underland
  11. The Quest And The Curse (Piano Version) (Bonus Track)
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